© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Haltungsnote
Küssen verboten
Christian Schwiesselmann

Die Schmatzer der Bussi-Bussi-Gesellschaft südlich des Weißwurstäquators befremden Zugereiste regelmäßig. Norddeutsche mißtrauen diesem süddeutschen Begrüßungsritual intuitiv, halten es für affektiert oder gar für unaufrichtig. Der Vorsitzende der Deutschen Knigge-Gesellschaft Hans-Michael Klein wird noch deutlicher: „Das ist undeutsch.“ Was Körperlichkeit betrifft, gebe es starke kulturelle Unterschiede. So berührten sich Gesprächspartner in Südamerika pro Stunde 60mal, in Nordamerika zehnmal, in England seien laut Studien dagegen keine Berührungen zu verzeichnen. „Das ist auch unsere Haltung“, beschreibt der Anstandslehrer in der FAZ-Regionalausgabe Rhein-Main die nordische Kühle im Umgang autochthoner Deutscher miteinander.

Kleins Erklärung für die zunehmenden Zudringlichkeiten: Das häufige „Busseln“ sei ein Versuch, mediterranes Lebensgefühl nach Deutschland zu bringen. Nicht jedem gefalle das, aber man müsse gute Miene zum bösen Spiel machen. Denn die oberste Knigge-Pflicht laute, die eigenen Gefühle zu beherrschen, um andere nicht zu verletzen.

Der Benimmexperte empfiehlt leidgeplagten Zeitgenossen, das Schild „Bussi-Bussi – Nein Danke!“ von der Internetseite seiner Knigge-Akademie zu laden. Zudem könne man einer Knutscherei aus dem Wege gehen, indem man mit dem Oberkörper im Falle eines Falles zurückweiche.

Nach Klein, der gut zwei Dutzend Verhaltensratgeber verfaßt hat und 1989 in Bochum über die „Geschichte der Baubiologie in der Bundesrepublik“ doktorierte, stammt der Wangenkuß übrigens aus dem Orient. In Westeuropa, so der stets freche, politisch inkorrekte Vortragsreisende, werde dabei generell erst auf die linke und dann auf die rechte Wange geküßt.

www.knigge-akademie.de

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