© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Bürgerkrieg auf einem sterbenden Planeten
Fantasy/Science-fi ction: „John Carter – Zwischen zwei Welten“ von Andrew Stanton bietet mit seinem forschen Stilmix einen spektakulären Augenschmaus
Claus-M. Wolfschlag

John Carter gilt als einer der ältesten Helden der Science-fiction-Literatur. 2012 feiert die literarische Figur ihren hundertsten Geburtstag mit einer grandiosen Verfilmung von Walt Disney Pictures. Carter ist ein Kind des amerikanischen Schriftstellers Edgar Rice Burroughs (1875–1950), das jenem allerdings nicht viel Geld und Ruhm einbrachte.

In die literarische Figur dürften einige biographische Elemente des Autors eingeflossen sein. Der Sohn eines US-Bürgerkriegsveteranen und Majors mußte die eigene Offizierskarriere aufgrund eines diagnostizierten Herzfehlers abbrechen. Er versuchte sich in der Folgezeit unter anderem glücklos als Goldgräber und wurde depressiv. 1912 schrieb er die erste John-Carter-Geschichte für ein Magazin: „Dejah Thoris, Princess of Mars“. Der literarische Erfolg als Klassiker der Abenteuerliteratur kam aber erst mit seinem dritten Projekt, der Geschichte von Tarzan, dem Dschungelkönig.

Nun hat Andrew Stanton John Carter als Abenteuerspektakel auf die Leinwand gebannt, und das Ergebnis kann sich allemal sehen lassen. John Carter wird darin als desillusionierter US-Kriegsveteran des Jahres 1885 gezeigt, der sich nach dem Tod seiner Frau als Goldsucher am Rande der Zivilisation verdingt. Dort kommt ihm in einem kleinen Fort der zähe Colonel Powell in die Quere, der Carter unbedingt zum Militärdienst im Rahmen der Apachenkriege verpflichten will.

Carter flieht aus der Arrestzelle, gerät auf seiner Flucht vor den Militärs und herumziehenden Indianern in eine kleine Höhle, findet dort ein Amulett und sich selbst kurze Zeit später in einer seltsam gelblichen Wüste wieder. Er ist, was er noch nicht weiß, mit Hilfe des Amuletts auf den Planeten Mars gelangt. Dieser ist ein Stern im kulturellen Niedergang. Die Landschaft ist ausgetrocknet, Ruinenstädte zeugen von einstigem Glanz seiner Kulturen. Doch trotz zunehmender Wasserknappheit ist der Planet noch von einer Vielzahl verschiedener Rassen und Stämme bevölkert, deren Verhältnis zueinander von tiefer Feindschaft geprägt ist. Der Kriegsdienstverweigerer gerät so in einen veritablen Bürgerkrieg, um sich dort zu bewähren und zum Helden zu werden. Und er dient dabei als Sinnbild dafür, daß knapper werdende Rohstoffe, in diesem Falle Wasser, stets auch zu Verteilungskämpfen führen. Es versteht sich von selbst, daß eine schöne, menschenähnliche Prinzessin zur Abrundung der Abenteuergeschichte nicht fehlen darf.

Regisseur Andrew Stanton, zweifacher Oscar-Preisträger, hat die fiktive Welt des roten Planeten liebevoll und beeindruckend in den Rahmen eines 3-D-Films gepackt. Vor allem die bezaubernde Architektur der Marszivilisation hat so gar nichts vom sterilen Geist der im SF-Genre oft dominierenden amerikanischen Moderne. Die Gebäude und Räume bilden eine faszinierende Mischung organischer Stilelemente. Hier meint man ein Zitat H.R.Gigers zu finden, dort eine Prise Jugendstil. Fantasy-Archaik, klassische Antike und eine ordentliche Portion Steampunk verbinden sich zu einer Synthese, die dem Zuschauer zum futuristischen Augenschmaus gereicht. Große und kleine Flugmaschinen sehen aus wie eiserne Libellen, das Wüstenvolk der Tharks trägt in verfallenen Amphitheatern blutige Schaukämpfe aus. Die Städte der humanoiden Kulturen zeigen äußerlich Anklänge an tibetische und altägyptische Anlagen. Die Innenräume präsentieren sich als Mischung römischer Wohnkultur und gotischer Sakralhallen. Wandelt sich der Wild-West-Bürger John Carter optisch zu einer Art „Conan der Barbar“ im Erscheinungsbild eines Fantasy-Kriegers, so zitiert Prinzessin Dejah Thoris durch ihre großflächige Körperbemalung die Kultur der neuseeländischen Maori. All dies wurde eingebettet in eine wüstenartige Landschaft, die man beim wochenlangen Dreh in Utah einzufangen in der Lage war.

Regisseur Stanton, ein bekennender John-Carter-Fan, gab bekannt, daß bei entsprechender Publikumsresonanz die Weiterführung der Geschichte als Trilogie geplant sei. Das Ergebnis seiner Arbeit ist so gelungen, daß dem eigentlich nichts im Wege stehen sollte.

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