© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Gegen die Mystifizierung der Mutterrolle
Christa Meves und Eva Herman dienen als Feindbild für Magisternarbeiten in der Frauen- und Geschlechterforschung
Volker Kempf

Christina Mundlos verspricht in „Die traditionelle Mutterrolle als Heilsversprechen“ die Argumentations- und Denkmuster von Eva Herman und Christa Meves „auseinanderzunehmen“. Dies wird durch ein Zitat von Alice Schwarzer unterstrichen: „Der Grad der Emanzipation von Frauen läßt sich in der Geschichte exakt am Grad der Mystifizierung oder Nicht-Mystifizierung der Mutterschaft ablesen.“ Meves und Herman sind hiernach bloße Mystikerinnen der Mutterrolle. Das glaubhaft zu machen, müssen widersprüchliche und tendenziöse Darstellungen gesucht werden.

Mundlos arbeitet hierzu verschiedene Topoi heraus, mit denen Herman und Meves ihre jeweilige Argumentation für eine traditionelle Mutterrolle abstützen. Doch die Verdichtung des Textmaterials bleibt fragwürdig. So wird behauptet, Meves würde dafür plädieren, Frauen sollten sich um die Kinder kümmern, nicht aber einer Erwerbsarbeit nachgehen. Tatsächlich differenziert Meves immer wieder, Müttern sei zu empfehlen, über etwa drei Jahre für das Wohl des Kindes möglichst präsent zu sein und dann bei vorhandenem Wunsch einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Meves selbst ist seit Jahrzehnten Mutter und erwerbstätig. Es handelt sich also um eine tendenziös verkürzte Aussage, die als solche leichter ins Zwielicht gezogen werden kann.

Als Widerspruch sei bei Herman und Meves auszumachen, daß sie sowohl auf Natur und Biologie rekurrieren, aber gleichzeitig christliche Topoi vertreten. Aber warum sollen sich unterschiedliche Ansätze nicht gegenseitig stützen können? Auch Benedikt XVI. setzt auf den christlichen Glauben, der einer übermäßigen Manipulation der „Ökologie des Menschen“ Einhalt gebiete und verlieh der sich entsprechend einsetzenden Meves 2009 den Gregoriusorden. Aber so viel Tiefenschärfe weist das vorliegende Buch nicht auf.

Mundlos nimmt praktischerweise von Meves nur schmale Essaybändchen zur frühkindlichen Erziehung wahr und übersieht dafür ihr Standardwerk „Geheimnis Gehirn“. Mundlos, die während des Schreibens an dieser Magisterarbeit „parallel dazu die Frauen-Hochschulwoche an der Universität Kassel leitete“, streitet Meves alle Wissenschaftlichkeit ab. Dabei dürfte die Arbeit der frischgebackenen Frauen- und Geschlechterforscherin Mundlos der 86jährigen Kinderpsychologin genau ihren Klagen gegen jene völlig ideologisierten Wissenschaften recht geben, die im Strudel der Politisierung eine methodische Suche nach neuen Erkenntnissen schon lange aufgegeben haben.

Christina Mundlos: Die traditionelle Mutterrolle als Heilsversprechen. Tectum Verlag, Marburg 2011, broschiert, 178 Seiten, 24,90 Euro

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