© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Risiko Investmentfonds
Vermögensverwaltung: Finanz- und Euro-Krise offenbaren das Dilemma der Luxemburger Fondsindustrie / Fehlende Alternativen
Marco Meng

Daß der Ministerpräsident des nur wenig mehr als eine halbe Million Einwohner zählenden Luxemburg der erste ständige Vorsitzende der Euro-Gruppe mit 327 Millionen Einwohnern wurde, mag manche überraschen. Doch diese Position ist geradezu maßgeschneidert für den mehrsprachigen Christdemokraten Jean-Claude Juncker (JF 51/11). Und dessen bislang erfolgreicher Einsatz dafür, daß bei einer Pleite Griechenlands, Irlands oder Portugals möglichst die Steuerzahler und nicht die Investoren bluten müssen (Juncker: „Unkalkulierbare Folgen für den Finanzmarkt“), hat einen ganz banalen Grund: Das Großherzogtum hat sich von einem Zentrum der Schwerindustrie zu einem Mekka der Fondsindustrie entwickelt.

Neben den USA ist der polyglotte Kleinstaat der größte Anbieter von Investmentfonds weltweit. Mehr als die Hälfte der Investmentfonds, die in Europa angeboten werden, sind hier beheimatet. Das Fondsvermögen, das in dem Ländchen (so klein wie das Saarland) verwaltet wird, beträgt ein Drittel der weltweit in Investmentfonds verwalteten Gelder: über zwei Billionen Euro – also in etwa das Volumen der deutschen Staatsverschuldung.

Da die Finanzbranche für das idyllische Land sehr wichtig ist, wundert es auch nicht, daß umgekehrt die luxemburgischen Regulierungsbehörden den Ruf haben, unbürokratisch zu sein. Das Verständnis für die Sorgen und Nöte der Finanzwirtschaft ist groß, schließlich erwirtschaftet diese 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und beschäftigt rund 42.000 Menschen. Eine spezielle niedrige Fondssteuer, die Taxe d’ Abonnement, bringt der Staatskasse jährlich dennoch um die 620 Millionen Euro.

Das Bild der sauberen Finanzwelt hat aber seit der Finanzkrise 2008 einige Flecken bekommen, und mit der Frage der Regulierung rückte auch das in Luxemburg große, mit den Banken verwobene ,,Schattenbankwesen“ (also vor allem Fonds) ins Blickfeld. Durch die EU-Richtlinie für alternative Fondsmanager (AIFMD), die 2013 in Kraft tritt, werden auch Hedgefondsmanager von den Aufsichtsbehörden – in Luxemburg die Commission de Surveillance du Secteur Financier/CSSF – in die Verantwortung genommen; der Luxemburger Zentralbankchef Yves Mersch meint daher, der Rahmen werde seit der Krise angepaßt, durch die Bankenregulierung „Basel III“ würden die Eigenkapitalanforderungen an die Banken erhöht. Doch das gilt nicht für Fonds und Verbriefungsgesellschaften.

Weil viele Geldmarktfonds in Luxemburg ansässig sind, warnte Mersch davor, daß die Aufsichtsaufgaben der Luxemburger Zentralbank durch eine zusätzliche Regulierung steigen würden. Das verwaltete Nettovermögen in den Luxemburger Geldmarktfonds, die ausschließlich in Papiere wie Schuldscheine und Anleihen investieren, betrug 2011 etwa 280 Milliarden Euro. Kann das kleine Land angesichts der gewaltigen Summe von Kapital und Kapitalgesellschaften eine gründlichere Regulierung als die bisherige aber überhaupt meistern? Und wie lange kann eine kleine Wirtschaft wie Luxemburg sich einen so großen Finanzplatz leisten?

Der internationale Druck auf den Finanzplatz Luxemburg wird mit der Schattenbank-Diskussion immer stärker. Auch das luxemburgische Verbriefungsgesetz von 2004 gehört auf den Prüfstand: Es unterscheidet zwischen solchen Gesellschaften, die regelmäßig Papiere ausstellen und der Aufsicht der CSSF unterliegen und solchen, die unregelmäßig an den Markt gehen – und deswegen keiner Aufsicht unterliegen, was dazu führt, daß hier von den etwa 530 Anlagefirmen nur 27 von der CSSF kontrolliert werden.

„Wenn es für Investoren brenzlig wird, ist Luxemburg eine Mausefalle“, meint Anwalt Erik Bomans, der 800 deutsche und weitere europäische Anleger bei Klagen gegen Luxemburger Töchter der Banken HSBC und UBS vertritt. Deutsche Fondsanleger beispielsweise hatten bei der 65-Milliarden-Dollar-Pleite das US-Finanzmaklers Bernard Madoff mit Luxemburger Investmentfonds rund 400 Millionen Euro verloren. Bei strengerer Kontrolle durch die Luxemburger Aufsicht wären ihnen diese Verluste erspart geblieben.

Die meisten deutschen Anleger hatten Dachfonds gekauft, die durch breite Streuung in Zielfonds Risiken begrenzen sollen. Dachfonds wie Global Trends Balance überließen allerdings zwölf Prozent ihres Geldes dem in Luxemburg aufgelegten und von Madoff gemanagten „Herald US Absolute Return“-Fonds. Madoffs Schneeballsystem (JF 28/09)flog lange nicht auf, weil ihm UBS und HSBC ihre Funktion als Depotbank (Aufbewahrung der Wertpapiere) übertragen hatten. Normalerweise ist Fondsvermögen Sondervermögen, Geld und Wertpapiere sollen (müssen aber nicht) bei einer vom Fondsmanager getrennten Depotbank liegen.

Die EU-Fondsrichtlinien lassen es nämlich unter bestimmten Bedingungen durchaus zu, daß Aufgaben der Depotbank an Dritte ausgelagert werden. Der Fall ist aber nicht der erste Skandal, bei dem Luxemburger Fondsgelder verschwunden sind und sowohl Aufsicht als auch Depotbank nicht reagiert hatten. „Immobilien-Dachfonds sind eine Fehlkonstruktion“, meint ohnehin der Hamburger Fachanwalt Peter Hahn. Denn sie investieren eben oft in andere Immobilienfonds, und einige davon wie etwa der Morgan Stanley P2 Value oder der AXA Immoselect wurden in den letzten Monaten „abgewickelt“. Der DJE Real Estate wurde 2004 in Luxemburg aufgelegt und verfügte jüngst nur noch über ein Volumen von 185 Millionen Euro – von 651 Millionen Euro vor noch zwei Jahren. Das ist fatal für die rund 10.000 betroffenen Anleger.

Nachdem bekanntgegeben worden war, daß der Investmentfonds „US-Grundinvest“ von KanAm wegen Zahlungsschwierigkeiten „abgewickelt“ wird, ist auch das Aus des 1,3 Milliarden Euro schweren Offenen Immobilienfonds „Degi Europa“ von Aberdeen Investments publik geworden. Bis Ende 2013 wird er aufgelöst. Auch der Aberdeen-Fonds „Degi International“ mit 70.000 Anlegern und einem Volumen von insgesamt 1,6 Milliarden Euro ist „eingefroren“ und wird 2014 liquidiert.

Insgesamt sind gegenwärtig damit ein Dutzend Fonds mangels Liquidität eingefroren. Etwa 25 Milliarden Euro sind damit dem Zugriff der insgesamt etwa eine Million Anleger entzogen. Einer der großen Fonds, bei dem heute noch völlig unklar ist, ob er abgewickelt oder wieder eröffnet wird, ist der „SEB Immoinvest“, der Immobilien im Wert von 6,3 Milliarden Euro verwaltet. Die Anleger müssen also weiter um die Werthaltigkeit ihrer Geldanlagen zittern. Zudem droht die Verjährung möglicher Ansprüche noch im Jahr 2012. Der Fonds war überwiegend von der Deutsche Postbank AG, der SEB Bank (heute Santander Bank) vertrieben worden.

Luxemburgs Depotbanken wie HSBC Trinkaus und die DZ Privatbank warnen darum jetzt, daß mit der Verwahrung im Ausland „ein Verlustrisiko verbunden sein könne“, das „aus Insolvenz, Sorgfaltspflichtverletzungen oder mißbräuchlichem Verhalten des Verwahrers oder eines Unterverwahrers resultieren kann“. Wenn also beim nächsten Betrug das Geld weg ist, kann niemand mehr sagen, er sei nicht vorgewarnt worden. Vor kurzem haben die Luxemburger Konsumentenvereinigung, die Gewerkschaften Aleba, OGBL und LCGB sowie der Verein für Anlegerschutz Protinvest die Abhängigkeit der Finanzaufsicht CSSF kritisiert. „Die Organisation besteht zur Zeit ausschließlich aus den Regierungsvertretern und Repräsentanten der Branche, die die CSSF kontrolliert“, hieß es in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung. Die Forderung, daß in der CSSF auch Vertreter der Bankangestellten und ihrer Kunden einen Platz finden sollten, wurde aber abschlägig beantwortet.

Der luxemburgische Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké warnte daher vor der Abhängigkeit seines Landes von der Euro-Zone und der einseitigen Ausrichtung auf die Finanzbranche. Die im Großherzogtum ansässigen Firmen müßten sich breiter aufstellen. Neben der Finanzbranche gebe es noch jede Menge andere Wirtschaftsbereiche, in denen Luxemburg ein „Weltklasse-Know-how“ habe: grüne Technologie, Ingenieur- und Planungsbüros. Hier solle sich Luxemburg in eigenen kleinen Nischen positionieren, so der Sozialist.

Foto: Auslandsniederlassung der Deutschen Bank im Großherzogtum: „Wenn es für Investoren brenzlig wird, ist Luxemburg eine Mausefalle“

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