© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Zeitschriftenkritik:
Zwischen Lenin und Cubra Libre
Karlheinz Weissmann

Das Kursbuch ist wieder da. Die legendäre Zeitschrift der Neuen Linken hat nach mehrjähriger Pause noch einmal einen Verlag gefunden – Murmann in Hamburg – und genügend Autoren und eine Herausgeberschaft, um es erneut zu wagen. Von allen Veränderungen im Layout, die zu den letzten Verzweiflungsschritten gehört hatten, um das Projekt zu retten und in einen großen Verlag zu integrieren, nimmt man Abschied und kehrt zur ebenso einfachen wie strengen Gestaltung zurück.

Dieser demonstrative Versuch, an das Ur-Kursbuch anzuknüpfen, das seit 1965 von Hans-Magnus Enzensberger herausgegeben wurde, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Zeiten sich seit damals sehr verändert haben – in der ersten Ausgabe ging es um Texte von Samuel Beckett und Uwe Johnson, ein Dossier zu Jean-Paul Sartre und ein weiteres zum Auschwitz-Prozeß – und daß das neue Kursbuch (Generalthema „Krisen lieben“) im Hinblick auf die Prominenz der Beiträger und die Relevanz der Beiträge nichts Vergleichbares aufbieten kann.

In seinem Beitrag „Verbindungen“ weist der Historiker und Suhrkamp-Lektor Henning Marmulla ganz richtig darauf hin, daß das alte Kursbuch seine Wirkung vor allem der Tatsache verdankte, daß es das „Forum“ der Außerparlamentarischen Opposition der sechziger Jahre war, daß es an diese Bewegung anschloß, ihr aber auch als Ideengeber diente. Wenn er der Hoffnung Ausdruck gibt, es lasse sich eine vergleichbare Konstellation heute denken, in der das neue Kursbuch die Funktion des „Trüffelschweins“ übernehme, steht man ratlos vor solchem Wirklichkeitsverlust. Denn tatsächlich kann das, was hier geboten wird, nirgends anschließen.

Das wenigstens erkannt zu haben, muß man Dietmar Dath zugestehen, übrigens der einzige bekannte Name unter den Mitarbeitern. Dath beherrscht eine Kombination aus geballtem Unernst und intellektueller Attitüde, die wenigstens von Ferne an „`68“ erinnert. In seinem Beitrag „Legitimiert Euch doch selbst!“ nimmt er eine von Jürgen Habermas geprägte Formel – „Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus“ – auf, um mit aller Offenheit zu erklären, daß es darum gehen müsse, diese Probleme ein für allemal hinter sich zu lassen, also nicht über irgendeine Art von Reform oder Abhilfe nachzudenken, sondern das „System“ seiner „Abschaffung“ zuzuführen, was natürlich bedeute, eine „Grenze zu überschreiten“, womit wohl der notwendige Akt der Revolution gemeint ist.

Natürlich würde der FAZ-Redakteur Dietmar Dath bei peinlicher Befragung sofort leugnen, das so gemeint zu haben. Aber das tut nichts zur Sache. Er steht mit seinem Gerede ja tatsächlich in einer Tradition, die sich auf das Kursbuch – das erste – berufen kann, insofern als da schon immer über die Notwendigkeit des großen Umsturzes geraunt wurde, ohne daß man je so richtig gesagt bekam, ob es nun ernst werden sollte oder nicht, wer zu erschießen sei oder nicht, ob’s eher wie bei Lenin oder wie bei Trotzki oder wie bei Mao zugehen solle, oder doch nur Cuba Libre geben werde.

Kontakt: Murmann Verlag GmbH Redaktion Kursbuch, Schopenstehl 15, 20095 Hamburg, Telefon: 040 /  39 80 83-0. Das EInzelheft kostet 19 Euro. ein Jahresabo für drei Hefte 45 Euro  www.kursbuch-online.de

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