© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

EU vertiefen, Deutschland fesseln
Ausgelutschtes Narrativ
(wm)

Unter den Propagandaschriften der „beratenden Politikwissenschaft“, die der Berliner „Partei- und Staatsführung“ blind ins EU-Abenteuer folgt, wirkt Jürgen Neyers (Viadrina Frankfurt) Essay „Wider die Vereinigten Staaten von Europa“ beinahe wie eine fichtische Zurückforderung der Denkfreiheit (Leviathan, 4-2011). Prima vista jedenfalls, wenn Neyer fanatische „Integrationisten“ wie Jürgen Habermas und deren autoritätsfixierte Affirmation des undemokratischen EU-Superstaates sowie ihre „fehlende positive Emphase gegenüber den historischen Errungenschaften der nationalstaatlichen Demokratie“ attackiert. Beim zweiten Hinsehen ist Neyer, dessen Hauptwerk sich 2005 für „postnationale Herrschaft“ begeisterte, alles andere als ein Lobredner des „Europas der Nationen“. Denn mit Habermas ist er nur über den Weg, nicht über das Ziel uneins. Es genüge nämlich nicht mehr, die EU-Vertiefung mit der Einbindung Deutschlands als „alternativlos“ zu verkaufen, die über Krieg und Frieden entscheide. Dieses ausgelutschte „Narrativ der Integrationisten“ müsse vielmehr durch eine „normative Neubegründung“ des EU-Projekts ersetzt werden, die in Neyers Seminarchinesisch „rechtsbasierter Rechtfertigungsdiskurs“ heißt. Fixpunkt bleibt die „Ausdehnung demokratischer Selbstbestimmung“, die Neyer nicht von der „Entwertung der nationalen Parlamente“ erwartet.

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