© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/12 23. März 2012

Deutliche Absetzbewegungen
NPD-Verbot: In der Union und unter Verfassungsrechtlern mehren sich die Vorbehalte gegen einen neuen Anlauf in Karlsruhe
Felix Krautkrämer

In der Union wächst offenbar die Skepsis vor einem neuerlichen NPD-Verbotsverfahren. Knapp ein halbes Jahr nach dem Bekanntwerden der mutmaßlich von der Zwickauer Terrorzelle begangenen Mordserie macht sich bei immer mehr Politikern von CDU und CSU die Erkenntnis breit, daß die Forderung nach einem Verbot der NPD vielleicht doch etwas vorschnell gewesen sein könnte. Denn die Hürden für eine solche Maßnahme sind hoch.

Das weiß auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, der sich skeptisch äußerte, ob es gelingen werde, der NPD die für ein Verbot notwendige aggressiv-kämpferische Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nachzuweisen. Der CDU-Politiker sprach sich statt dessen dafür aus, Parteien mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Hierfür reiche eine Grundgesetzänderung, sagte Schünemann dem Weser-Kurier. Und selbst wenn die NPD verboten würde, müsse damit gerechnet werden, daß relativ schnell eine neue Partei deren Nachfolge antreten werde.

Gang nach Straßburg  gilt als sicher

Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), rät mittlerweile von einem neuen Verbotsverfahren ab. Da sei zum einen die Problematik der V-Leute des Verfassungsschutzes, die zuvor abgeschaltet werden müßten. Dies halte er für problematisch, sagte Uhl der Mitteldeutschen Zeitung. Ein erster Versuch, die NPD zu verbieten, war 2003 genau daran gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht stellte das Verfahren ein, weil offen war, inwieweit V-Männer in Führungspositionen der Partei diese maßgeblich beeinflußten. Um dies zu vermeiden, einigten sich die Bundesländer darauf, ab April alle Verbindungsleute in den Landesvorständen und der Parteiführung abzuschalten. Lediglich auf unteren Ebenen sollen diese weiterhin zum Einsatz kommen. Dennoch bleibt fraglich, ob die V-Leute nicht auch aus mittleren und unteren Positionen das Auftreten der Partei beeinflussen können. Zudem müßte gewährleistet sein, daß neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz auch alle 16 Landesdienste ihre Verbindungsmänner aus den Vorständen abziehen. Ein Umstand, der vor allem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Sorge bereiten dürfte, denn weisungsbefugt sind hier lediglich die Innenministerien der Länder.

Daneben weisen Experten auf einen weiteren Unsicherheitsfaktor hin. Selbst für den Fall, daß es gelingen sollte, der NPD nachzuweisen, daß sie als offensiv verfassungsfeindliche Partei eine Gefahr für die Demokratie darstellt, bestünde immer noch die Frage der Verhältnismäßigkeit ihres Verbots.

Daß die NPD vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen würde, gilt als sicher. Dort könnte laut Innenpolitiker Uhl geprüft werden, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist und ob ein Verbot überhaupt im Verhältnis dazu steht. Die NPD habe bei Bundestagswahlen vierzig Jahre lang nur einmal mehr als ein Prozent der Stimmen erlangt. „Und was bedeutungslos ist, kann keine Bedrohung sein“, gab Uhl zu bedenken. Ähnlich äußerte sich auch die auf Parteiverbote spezialisierte Verfassungsrechtlerin Seyda Emek. Es sei bei kleinen Parteien praktisch unmöglich, die Verhältnismäßigkeit eines Verbots zu begründen, sagte sie der Nachrichtenagentur dapd. Genau darauf aber habe der Europäische Gerichtshof bei früheren Urteilen bestanden. Deutschland müsse nachweisen, daß die NPD den Fortbestand der Demokratie gefährde. Durch diese Vorgabe sei ein Verbotsverfahren nach Ansicht der Juristen aller Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt.

Angesichts dieses Risikos drückt auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), der als Verfechter eines NPD-Verbots gilt und zusammen mit Bundesinnenminister Friedrich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe leitet, die dessen Erfolgsaussichten auslotet, auf die Bremse. In einem Interview mit Welt Online räumte Stahlknecht wenige Tage vor vor der entscheidenden Innenministerkonferenz an diesem Donnerstag ein, man wolle nun erst einmal seriös und juristisch professionell prüfen lassen, ob das Material gegen die NPD überhaupt für einen Verbotsantrag ausreiche. Sollte dies der Fall sein, rechne er mit einer Verfahrensdauer von bis zu fünf Jahren.

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