© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/12 23. März 2012

Knallharte Zocker
Banken II: Die Investmentbanker wollen bei der Deutschen Bank das Ruder übernehmen / Ihr Radikalumbau scheitert vorerst an der Finanzmarktaufsicht
Marco Meng

Anshu Jain (49) ist noch nicht Chef, da beginnt der Inder schon mit dem Radikalumbau der Deutschen Bank – und mußte auch gleich die erste Niederlage einstecken. Der Ackermann-Nachfolger besetzt die Führungsspitze mit Vertrauten aus dem Investmentbanking, doch einer von ihnen, sein langjähriger Weggefährte William Broeksmit, erhielt nicht die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Laut Presseberichten hatte die BaFin Jains Kandidat für den Posten des Risikovorstands keine Freigabe erteilt, weil die Behörde schwere Bedenken über die Eignung des Kandidaten für den Posten hege. Broeksmit kam 1995 zusammen mit Jain von der US-Investmentbank Merrill Lynch zur Deutschen Bank. Nun sind es also Stephan Leithner, Henry Ritchotte und als Broeksmit-Ersatz der Schotte Stuart Lewis, die im Dunstkreis Jains in den Bankenvorstand aufsteigen.

Risikovorstand Hugo Bänziger, der als Rivale Jains und auch als Stimme der Vernunft galt und die risikofreudigen Investmentbanker in London immer wieder zur Räson rief, sowie Hermann-Josef Lamberti, der im Vorstand für IT, Infrastruktur und Personal verantwortlich ist, werden hingegen die Deutsche Bank Ende Mai verlassen.

Für das Machtgefüge der Bank bedeutet der Personalaustausch eine kleine Revolution. Während der scheidende Konzernchef Josef Ackermann stets darauf bedacht war, die Balance zwischen London und Frankfurt zu halten, übernehmen nun die Londoner Investmentbanker den Konzern von innen: Der zweite Chef neben Anshu Jain, Jürgen Fitschen, ist 63 Jahre alt, sein Vertrag läuft nur noch drei Jahre, und in den neuen Führungsgremien ist er weitgehend isoliert. „Die Investmentbanker haben die Übernahme der Deutschen Bank abgeschlossen“, kommentierte die Nachrichtenagentur Reuters in London. Mit Ausnahme des Privatkundengeschäfts werden künftig alle Segmente von Investmentbankern geführt.

Kaum noch Bezug zur heimischen Wirtschaft

Leithner, der bislang das Investmentbanking in Deutschland leitete, wird künftig für das Personal und die Rechtsabteilung zuständig sein. Zudem wird er als Regionalvorstand für Europa eine wichtige Rolle im Führungsgremium übernehmen. Ritchotte, bislang leitender Manager im Investmentbanking und damit Vertrauter von Jain, wird künftig die Informationstechnologie sowie das Operations- und Prozeßmanagement verantworten. Ritchotte begann im Anleihenhandel bei Merrill Lynch, 2001 wechselte er zum Investmentbanking der Deutschen Bank in Singapur. Lewis, der als Fachmann für Derivate, Investmentbanking und Kreditausfallderivate (CDS) gilt, wird Risikovorstand.

Auch das Group Executive Committee (GEC), das eigentliche Machtzentrum der Bank, wird runderneuert und wächst von zwölf auf 17 Mitglieder. So soll Asienchef Robert Rankin zusammen mit dem Investmentbanker Colin Fan die Kapitalmarktsparte leiten, die bislang von Jain geführt wurde und die wichtigste Ertragssäule ist. Rankin sitzt seit 2011 als Mitglied im GEC und verantwortet das asiatisch-pazifische Geschäft mit Schwerpunkt Indien und China.

Die Deutsche Bank gilt mit einer Bilanzsumme von etwa 1,85 Billionen Euro (fast das sechsfache des Bundeshaushalts) als „systemrelevante“ Großbank. Entgegen dem Politikerversprechen, keine Bank dürfe so groß werden, daß sie Staaten erpressen kann, wuchs die Bank trotz Finanzkrise weiter, etwa durch den Kauf des Versicherers Abbey Life (2007), die Übernahme von Sal. Oppenheim (2009) und der Postbank. Der Aktienkurs hat sich in den sechs Jahren mit Ackermann an der Spitze hingegen halbiert – wer zur selben Zeit auf realwirtschaftliche Linde-Aktien oder den Klassiker BASF gesetzt hat, konnte sein Erspartes verdoppeln.

Der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, kritisierte angesichts der jüngsten Personalentscheidungen, daß „der Bezug zur heimischen Wirtschaft“ so immer mehr verlorengehe. Und die betreffen eben nicht nur jene, die ein Deutsche-Bank-Konto haben – denn schließlich müssen im Falle eines Falles die Steuerzahler für Jains Entscheidungen einstehen.

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