© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Politik und Glaube
Kirche ist keine Demokratie
Wolfgang Ockenfels

Seit jeher hat es die Politik mit innerweltlicher Macht zu tun. Und Demokratie ist bekanntlich eine politische Form, die auf die Herrschaft der Mehrheit, aber auch auf Machtkontrolle hinausläuft. Darin liegt der Charme unserer Demokratie. Da die Kirche aber keine politische Einrichtung ist, läßt sie sich auch nicht demokratisieren. Und ein Staat, der sich mit einer Kirche verwechselt, wird totalitär. Diese Gefahr geht vor allem von jenen Politikern aus, die mit quasireligiösen Heilsansprüchen auftreten.

„Kirche ist keine Demokratie “, bemerkte kürzlich der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa: „Sondern wir sind ausgerichtet auf Christus.“ Diese für Christen höchst bedeutsame Aussage fand Claudia Roth, die aus der Kirche ausgetretene Bundesvorsitzende der Grünen, „höchst bedenklich“, und sie betonte: „Wir wollen keine demokratiefreien Räume in unserer Gesellschaft.“

Das kommt einem alten Achtundsechziger ziemlich bekannt vor. Die Parolen liefen damals auf eine Politisierung aller Lebensbereiche hinaus, einschließlich der Unternehmen und Universitäten, der Familien und der Kirchen. Sie alle sollten als „Teile der Gesellschaft“ demokratisiert werden.

Diese französisch-revolutionäre Form der Demokratie als totalitäre Herrschaft konnte sich zwar nicht durchsetzen, wabert aber immer noch in den Köpfen mancher Zeitgenossinnen und -genossen.Freilich trifft man auch in kirchlichen Verbänden und Räten auf die Vorstellung, mit der Übernahme demokratischer Willensbildung und Mehrheitsfindung die Kirche so wie eine politische Partei oder einen bürgerlichen Verein leiten zu können. Die Kirche ist aber eher einer Stiftung vergleichbar. Ihre Zwecke sind ihr vorgegeben, sie sind nicht frei verfügbar, nicht einmal durch die Hierarchie.

Gerade die amtliche Kirche hat der Offenbarung und ihrer verbindlichen Tradition zu dienen. Daran kommt sogar ein Papst nicht vorbei. Da kann man noch so viel diskutieren wollen, wie beispielsweise über die Abtreibung oder das Frauenpriestertum. Das kann es nicht geben, weil es schon biblisch nicht vorgesehen war.

Eine demokratische Volkssouveränität ist dem Begriff der Kirche als Stiftung Christi völlig fremd. Denn Christus ist ihr Souverän. Dem darf man folgen – oder man läßt es bleiben.

 

Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und Professor für christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät Trier.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen