© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Große Koalition mit Ansage
Saarland: Weil das Regierungsbündnis schon vor der Wahl feststand, sorgen einzig der Erfolg der Piraten und das Aus der FDP für Aufsehen
Björn Schumacher

Die Wahlbeteiligung von gerade einmal 61,6 Prozent bei der Landtagswahl im Saarland spricht Bände: Offenbar bleiben die Wähler lieber zu Hause, wenn das Ergebnis bereits vorher feststeht. Denn gleich nach dem Scheitern der „Jamaika-Koalition“ hatten sich CDU und SPD auf eine gemeinsame Regierung verständigt. Sie verwiesen auf die Haushaltslage des Saarlands, die Bund/Länder-Schuldenbremse und leiteten daraus die Notwendigkeit einer stabilen Parlamentsmehrheit ab. Ein spannender, programmatischer Wahlkampf war daher de facto ausgeschlossen.

Daß am 25. März 2012 überhaupt gewählt wurde, lag an den Funktionären der SPD, die einen Sieg ihres Spitzenkandidaten Heiko Maas über CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer erwarteten und das Angebot einer Großen Koalition vor der Wahl ausschlugen. Diese Rechnung ging trotz eines ordentlichen Zugewinns für die SPD nicht auf. Heiko Maas hat damit seine dritte Landtagswahl verloren. Obwohl die Sozialdemokraten erstmals unter seiner Führung in eine Regierung einziehen werden, dürfte er die Saar-SPD fortan „auf Bewährung“ leiten. 30,6 Prozent in der einstigen Kohle- und Stahlregion sind für die klassische Arbeiterpartei eine Enttäuschung. Wehmütig denken die Genossen, von denen viele lieber mit der Linkspartei koalieren würden, an die stolzen 54,4 Prozent von 1990.

Überraschend kam das Abschneiden der CDU. Die offenbar von vielen als „Landesmutter“ akzeptierte Kramp-Karrenbauer konnte mit 35,2 Prozent den Stimmenanteil ihres Vorgängers Peter Müller von 2009 leicht steigern. Ihr geschmeidiger Pragmatismus erinnert an Angela Merkel. Deren Buhlen um linke Koalitionspartner und Zeitgeistmedien spitzt die Saarländerin noch zu. Auch sie tadelte Thilo Sarrazins Buch als „nicht hilfreich“ und schmähte dessen Leser obendrein als „Bodensatz in der Gesellschaft“. Die Morde der Zwickauer Terrorzelle deutete Kramp-Karrenbauer kollektivschuldbeflissen als Versagen der deutschen Nation: „Wir müssen uns alle gemeinsam entschuldigen.“ 

Dagegen verlor die Linkspartei mit Lokalmatador Oskar Lafontaine, der immerhin für die SPD von 1985 bis 1998 Ministerpräsident war, gut fünf Prozentpunkte. Nostalgisch blickt sie auf den Herbst 2009, als die CDU fast von einer rot-rot-grünen Koalition vom Thron gestoßen worden wäre, wenn der umtriebige Grünen-Realo Hubert Ulrich seine Riege nicht im letzten Moment auf „Jamaika“ eingeschworen hätte. Dennoch bleibt die Linkspartei eine feste Größe an der Saar. Lafontaines Ausruf auf der Schlußkundgebung vor der Wahl, „Wir brauchen endlich Widerstand in diesem Land“, traf erkennbar nicht nur den Nerv seiner Parteigenossen.

Heftiger erwischte es die FDP mit dem rekordverdächtigen Verlust von 80 Prozent Wählerstimmen binnen zwei Jahren. Bewirkt wurde dieser Erdrutsch durch Querelen der Saar-FDP, vor allem aber durch eine Bundespartei, die trotz ihres „Euro-Rebellen“ Frank Schäffler letztlich nur als Mehrheitsbeschafferin für Kanzlerin Merkel auffällt. Moderater fielen die Verluste der Grünen aus, die sich mit 5,0 Prozent und 120 Stimmen über der Fünfprozenthürde haarscharf im Landtag halten konnten. Angesichts ihrer 15 Prozent bei der deutschlandweiten „Sonntagsfrage“ war das dennoch ein Schock. Der Generationswechsel des linksalternativen Spektrums schreitet voran. Die 7,4 Prozent der jungen Piratenpartei sind für die Saar-Grünen ein Alptraum. Daß die saarländische Piraten-Vorsitzende, die 22 Jahre alte Auszubildende Jasmin Maurer, wegen eines Schwächeanfalls am Wahlabend fehlte, dürfte kein Menetekel für die Zukunft sein.

Enttäuscht reagierte auch die Familien-Partei, deren saarländische Hochburg zu bröckeln scheint. Mit 1,7 Prozent verfehlte sie ihre Bestmarke von 2004 (3,0 Prozent) deutlich. Die Partei fordert für Familien mit Kindern ein steuerpflichtiges Erziehungsgehalt sowie ein existenzsicherndes Kinderkostengeld − jeweils gestaffelt nach Anzahl und Alter der Kinder. Die Finanzierung soll über eine neu zu schaffende „Familienkasse“ nach dem Umlageprinzip erfolgen. Obendrein will die Familienpartei Adoptionen erleichtern und „die Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen nachhaltig verringern“. Konservativen Geist verströmt diese Partei aber nicht überall. Ihr Familienbegriff umfaßt Getrennterziehende sowie nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern. Hinweise auf ein „Vorbild Frankreich“ laufen auf den Ausbau der Fremdbetreuung von Kleinkindern hinaus. Dennoch setzt die Partei mit ihren Kernthemen Staatsverschuldung und Demographie erfrischende Akzente im festgefahrenen Politikbetrieb.

Weit abgeschlagen landeten NPD, Freie Wähler und die Initiative Direkte Demokratie. Letztere hatte mit einer Klage gegen die Fünfprozentsperrklausel bei der Landtagswahl Aufsehen erregt. Auch wenn der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes die Klage abwies − die Zukunft der Hürde ist offen. Nach einer Entscheidung der Verfassungsrichter vom September 2011 bedarf sie einer umfassenden und fundierten Überprüfung durch den saarländischen Gesetzgeber.

Foto: Jubel bei den Saar-Piraten am Wahlabend in Saarbrücken: Der orangefarbene Alptraum der Grünen

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