© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

„Der Islam ist nicht das Problem, sondern die Lösung“
Integration: Unter dem Eindruck der islamistischen Terroranschläge in Frankreich diskutiert der Bundesinnenminister mit deutschen Islamverbänden
Henning Hoffgaard

Ist das der Friedrich?“ fragt ein Kameramann sichtlich nervös. „Nein, das ist nur der Wargel.“ Hans-Werner Wargel ist zwar immerhin Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, aber ganz offenbar nicht die Person, auf den die versammelten Medienvertreter gewartet haben. Die kündigt sich in den angespannten Mienen, der zivil gekleideten Sicherheitsleute und der vorfahrenden schwer gepanzerten schwarzen Limousine jedoch bereits an. Ihr entsteigt zuerst ein weiterer Leibwächter und schließlich auch Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Kurz noch den Anzug und die Krawatte geraderückend, wendet er sich routiniert den ihm zahlreich entgegengestreckten Mikrofonen, Aufnahmegeräten und Handys zu. Das lang im voraus geplante Symposium der „Initiative Sicherheitspartnerschaft“, mit der die Bundesregierung die Islamverbände bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors einspannen will und sich an diesem Tag besonders der islamistischen Propaganda im Internet widmet, hat durch die dramatischen Ereignisse in Südfrankreich ungeahnte Aktualität gewonnen.

Dennoch spielt der islamistische Attentäter Mohamed Merah, der in und um Toulouse erst drei Fallschirmjäger und schließlich drei Kinder und einen Lehrer einer jüdischen Schule kaltblütig erschossen hatte, kaum eine Rolle. Friedrich weist auf die von der schwarz-gelben Koalition beschlossenen Beratungsstellen für Familien und Freunde von sich radikalisierenden Muslimen hin, verspricht eine engere Koordination von „Zivilgesellschaft“ und Sicherheitsbehörden und warnt vor einer steigenden Gewaltbereitschaft von Rechts- und Linksextremisten. Nicht jeden scheint das zu interessieren. Nach einer Frage zu den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, zu denen sich der Innenminister nicht äußern will, betritt er die niedersächsische Landesvertretung in den Ministergärten nahe des Potsdamer Platzes in Berlin.

Vor den zahlreich erschienenen Vertretern von Verfassungsschutz, Bundes-kriminalamt und muslimischen Organisationen weist Friedrich auf die etwa 130 sogenannten muslimischen „Gefährder“ hin, die jederzeit zu Anschlägen in Deutschland fähig sind. Nach einem Lob für den Zentralrat der Muslime, dessen Vorsitzender, Aiman Mazyek, bei der anschließenden Podiumsdiskussion noch zu Wort kommen soll, beendet er seinen Vortrag und verläßt schließlich nach ein paar Minuten auch die Veranstaltung. Zu diesem Zeitpunkt hat längst die Stunde von Mazyek geschlagen. Schnell reißt er das Thema an sich und tut das, was er am besten kann: Forderungen stellen und die deutsche Gesellschaft kritisieren. Wir haben kein „Islamproblem“ in der Bundesrepublik, sagt er im Brustton der Überzeugung, allenfalls ein „Rassismusproblem“. Von deutschen Moscheen gehe überhaupt keine Gefahr aus. Um islamistische Radikalisierung zu verhindern, müßten die islamischen Organisationen gestärkt werden. „Der Islam ist nicht das Problem, sondern die Lösung.“

Im Klartext heißt das, der Islamratsvorsitzende will mehr Geld, Kompetenzen und Aufmerksamkeit. Nicht einmal über die Definition von „Islamismus“ ist er sich mit der Bundesregierung einig. Schließlich nimmt Mazyek auch die deutschen Medien in die Pflicht, die, anstatt ständig und ausführlich über die Propaganda von al-Qaida zu berichten, diese in kleinerem Rahmen vielmehr „kritisch würdigen“ sollte. Wie diese Würdigung aussehen könnte, bleibt am Ende allerdings sein Geheimnis. Der eine oder andere Zuhörer blickt jedenfalls recht ratlos.

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