© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Punktsieg Sarkozy
Frankreich: Nach Aufklärung der Attentate sieht sich der Präsident gestärkt
Friedrich-Thorsten Müller

Knapp vier Wochen vor dem ersten Wahlgang zur französischen Präsidentschaftswahl erlebt Frankreich einen verwandelten Amtsinhaber. Nicolas Sarkozy hat durch die schnelle Aufklärung der Attentate von Toulouse und Montauban in der Bevölkerung deutlich an Zustimmung gewonnen. Auch daß der islamistische Attentäter Mohamed Merah nach stundenlangen Bemühungen, ihn zum Aufgeben zu überreden, beim Versuch der Festnahme zu Tode kam, wird Sarkozy nicht schaden.

Dabei hatte er hoch gepokert, schickte er doch seinen Innenminister „bis zur Aufklärung der Attentate“ nach Toulouse, womit er sich zu einem schnellen Erfolg zwang. Im Hinblick darauf, daß ein Sieger in französischen Präsidentschaftswahlen einen Monat vor der Wahl noch nie so unpopulär gewesen ist wie er, war dies allerdings ein wohlkalkuliertes Risiko. Indes zündet der Amtsinhaber, der sich gerne ein hyperaktives Image gibt, ein Feuerwerk von Maßnahmen. In einer Erklärung kündigte er an, daß zukünftig der „regelmäßige Besuch extremistischer Netzseiten“ oder die Teilnahme an ausländischen Terrorcamps bestraft würden. Auch die Verbreitung und Verherrlichung von extremistischen Ideologien soll im Rahmen der Terrorismusbekämpfung als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden.

Nicolas Sarkozy ist sich bewußt, daß er nur eine Chance hat Präsident zu bleiben, wenn es ihm gelingt, im ersten Wahlgang am 22. April die meisten Stimmen zu bekommen. Immer mehr Umfragen räumen ihm inzwischen dafür gute Chancen ein. Der Vorsprung des Sozialisten François Hollande für die zwei Wochen später stattfindende Stichwahl beträgt in den Umfragen aber weiterhin sechs bis zehn Prozent. Dies liegt nicht unerheblich daran, daß die von Sarkozy enttäuschten Wähler von Marine Le Pens Front National (FN) bekunden, nur zu 40 Prozent im zweiten Wahlgang den amtierenden Präsidenten wählen zu wollen. Bei der Stichwahl 2007 konnte Sarkozy noch 70 Prozent der FN-Wähler für sich gewinnnen.

 Viele FN-Sympathisanten verübeln den Konservativen die Zitterpartie um die Zulassung Marine Le Pens zur Präsidentschaftswahl. Daß Sarkozy für seine Großveranstaltung in Villepinte Mitte März mit 60.000 bis 70.000 Teilnehmern auch die Dienste der Moslemvereinigung „Union des associations musulmanes“ in Anspruch nahm, tut sein übriges. So machte das Satiremagazin Le Canard enchaîné bekannt, daß die Busse zum Teil brav nach Männern und Frauen sortiert anreisten.

Gleichwohl kippt die Stimmung in den Veranstaltungen der Sozialisten. Während es vor den Attentaten von Toulouse und Montauban noch nach einem klaren Durchmarsch für François Hollande aussah, fordern ihn seine Anhänger inzwischen auf „durchzuhalten“. Auch scheint er – im Gegensatz zu Sarkozy – nicht so richtig sein Thema zu finden. Mit Vorschlägen wie der Streichung des Wortes „Rasse“ aus der Verfassung machte er es Sarkozy in jedem Fall leicht, ihn in die Defensive zu bringen. „Hier will jemand Probleme lösen, indem man sich den Wortschatz vorknüpft“, spottet er. „Offenbar hat hier jemand unserem Wörterbuch den Krieg erklärt“, legt er nach.

Indes bekommt auch Marine Le Pen den Rückenwind für Präsident Sarkozy zu spüren. Nachdem dieser zuvor schon eine Verschärfung der Einwanderungspolitik angekündigt hatte, womit er einmal mehr ein Kernthema der Rechten besetzte, punktete er im Zusammenhang mit den Attentaten nun als „Mann der Tat“ bei der Inneren Sicherheit. Auch   Marine Le Pen bescheinigt – wie 75 Prozent der Franzosen – Nicolas Sarkozy eine gute Arbeit in bezug auf die Aufklärung der Attentate. Es fällt ihr nicht leicht, zum Beispiel mit der Forderung nach einer strengen Bestrafung der Verantwortlichen für die „islamische Ehe“ des Attentäters zu punkten. Zuvor war bekanntgeworden, daß Mohamed Merah rechtswidrig bis kurz vor seiner Tötung für einige Monate ausschließlich nach islamischem Ritus verheiratet war. Darauf stehen ohne vorherige Zivilehe in Frankreich 7.500 Euro Strafe oder bis zu sechs Monate Haft.

Auch kritisiert die FN-Vorsitzende die jahrelange Untätigkeit der Behörden gegenüber Merah, der in den USA längst mit einem Einreiseverbot belegt war, und verurteilte einmal mehr die laxe Einbürgerungspraxis Frankreichs. Auch der Themenwechsel durch die versuchte Wiederbelebung der Affäre Bettencourt um die Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf 2007 dürfte ihr im Moment eher schwerfallen.

Dagegen ist damit zu rechnen, daß Sarkozy seinen schnellen Erfolg bei der Aufklärung der Attentate erfolgreich weiter ausschlachten kann. Nachdem inzwischen das Filmmaterial des Attentäters mit Poststempel des Tages der Polizeibelagerung seiner Wohnung beim Pariser Büro des arabischen Senders Al Jazeera eingegangen ist, verstärken sich die Spekulationen, daß es Mittäter gegeben haben könnte. Auch daß der in Algerien lebende Vater des Attentäters ankündigte, den französischen Staat für den Tod seines Sohnes verklagen zu wollen, und dreiste muslimische Gedenkveranstaltungen für den Mörder auch in Frankreich versprechen die Diskussion um das Thema zu verlängern.

Foto: Staatsbegräbnis für die Fallschirmjäger: Sarkozy auf allen Kanälen

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