© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Marktzins unter Inflationsrate – Schlechte Zeiten für Geldbesitzer
Kein Teufelswerk
Bernd-Thomas Ramb

Zinskritik ist nicht modern. Selbst Silvio Gesells 100 Jahre alte Zinsverdammnis in seiner „Freiwirtschaftslehre“ (JF 12/12) hat ihre Vorläufer. Mindestens seit dem Mittelalter wird ausdrücklich moralisch verurteilt, wenn Geldverleiher Zinsen verlangen. Unchristlich sei es. Aber auch Christen benötigen Kredite und nur wenige Glaubensbrüder sind bereit, diese zinslos zu gewähren. Zinsgeschäfte waren damals nur Juden erlaubt. Wurde dann die Zinsbelastung zu groß und bereitete die Rückzahlung Probleme, griffen – weniger die kleinen Schuldner, als vielmehr die großen Herrscher – gerne zum Befreiungsschlag per Pogrom, um die Juden zu erschlagen und damit die Schuldscheine zu tilgen. Eine verlogene, nur scheinchristliche Welt.

Während Christen mittlerweile Zinsforderungen nicht mehr als Teufelswerk ansehen, herrscht im islamischen Raum weiterhin ein Zinsverbot. Geld verleihen darf man, nur eben keine Zinsen fordern. Damit droht jeder Kreditmarkt praktisch zu erliegen. Um dies zu verhindern, erlaubt der Islam eine Beteiligung des Kreditgebers am Gewinn, den der Schuldner mit dem geliehenen Geld erzielt. Das entspricht natürlich einer Verzinsung, wenn auch die Höhe des Zinssatzes vorher unbekannt ist.

Grundsätzlich ist die Forderung nach Verzinsung verständlich. Der Gläubiger verzichtet für einen bestimmten Zeitraum auf sein Geld und läßt sich dafür entschädigen. Anstatt sich auf eine ungewisse Höhe in Form einer Gewinnbeteiligung einzulassen (das könnte er beispielsweise über den Kauf von Aktien), zieht er eine feste Entlohnung seines Verwendungsverzichts mit einer periodischen Zahlung vor. Die heißt dann Zinsen. Wird diese Bezahlung nicht vollzogen, sondern auf die Kreditsumme aufgeschlagen, wird ein Zinseszins fällig.

Kritikwürdig wäre allenfalls die Entstehung verleihbaren Geldes. Selbst unter Beachtung marxistischer Ausbeutungstheorien basiert das angehäufte Geldkapital prinzipiell auf vorangegangenen Ersparnissen. Teile des Einkommens wurden weder konsumiert noch für eigene Investitionen ausgegeben.

Das kann später umgekehrt laufen, wenn das künftige Einkommen geringer ausfällt als die Ausgaben. Dann werden vorangegangene Ersparnisse abgetragen. In der Zwischenzeit kann das Geld durch Inflation seinen Wert verlieren. Schon um diesen Nachteil auszugleichen, ist die Zinsforderung notwendig. Zur Zeit deckt der Marktzins nicht einmal die Inflationsrate. Real verlieren also Geldbesitzer trotz ihrer Zinsgewinne. Hinzu kommt das Risiko, das entliehene Geld nicht zurückzubekommen. Entsprechende Risikoaufschläge auf den Zins läßt der Markt nicht immer zu. Sogar der Geldverleih an den Staat ist nicht mehr sicher – Käufer griechischer Staatsanleihen wissen dies. Schlechte Zeiten für Geldbesitzer – selbst mit Möglichkeit, beim Verleihen Zinsen zu fordern.

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