© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Der lange Marsch zur Weltwährung
Geldpolitik: Dollar, Euro und Yen bekommen zunehmend Konkurrenz durch den chinesischen Renminbi
Albrecht Rothacher

China hat die Konsequenzen aus der Euro-Krise und der Inflationspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) gezogen. Es wird nicht länger hochriskante Schuldverschreibungen kaufen, weder aus Europa noch aus den USA, und die Volksrepublik will auch nicht viel länger die billige Werkbank der Welt spielen (JF 9/12).

Statt dessen wird die chinesische Regierung die angehäuften Fremdwährungsschätze (im Wert von 3.200 Milliarden Dollar) in Zukunft nur noch für strategische Einkäufe und für Exportkredite für den Verkauf höherwertiger Anlagen und Großprojekte einsetzen. Die Binnennachfrage soll angekurbelt werden und langsam will man sich von der Massenfabrikation von Billigprodukten verabschieden, deren Produktion ohnehin bereits wegen der rapide steigenden chinesischen Lohnkosten nach Vietnam oder Bangladesch abwandert.

Dazu soll die „Volkswährung“ (Renminbi, im Westen meist Yuan genannt), auf deren Geldscheinen noch immer der 1976 verstorbene Mao Tse-tung abgebildet ist, zur wichtigsten Fakturierungswährung werden. Der Yuan soll also anstelle des inflationstreibenden Dollar Chinas Außenhandel – den größten der Welt – bestimmen. Derzeit werden nur etwa 13 Prozent der chinesischen Importe und Exporte in Yuan beglichen.

Der geplante Wechsel darf nach dem Willen der Partei nur langsam und vorsichtig vor sich gehen, haben doch alle Liberalisierungswellen – in den USA in den zwanziger Jahren, in Japan in den neunziger Jahren und in Europa im letzten Jahrzehnt – stets große Wirtschaftskrisen ausgelöst. Für eine Weltrolle des Yuan sind entsprechende Entstaatlichungsschritte allerdings unvermeidlich: die Zulassung von Yuan-Guthaben im Ausland, die freie Konvertibilität (Umtauschmöglichkeit) und die Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen. Der aktuelle Kurswechsel der einstigen reinen Binnenwährung erfolgt deshalb nur in Trippelschritten. Doch die absehbare Richtung ist eindeutig.

Den Anfang machte vor einigen Wochen eine unscheinbare Absprache der Regierungschefs Yoshihiko Noda (Japan) und Wen Jiabao (China), den bilateralen Handel künftig statt in Dollar auch in den Landeswährungen zu fakturieren. Nun will Chinas Entwicklungsbank CDB, die ein politisches Instrument des Staates ist, Verträge über Milliardenkredite auf Yuan-Basis mit den Schwellenländern Brasilien, Südafrika, Indien und Rußland abschließen, damit dort chinesische Firmen Dämme, Kraftwerke, Bahnlinien und Immobilienprojekte realisieren können.

Zur Liberalisierung des Yuan legte die Statistikabteilung der chinesischen Zentralbank (wie bei allen wichtigen Reformplänen nur eine untergeordnete Stelle, deren Meinung zur Not abgestritten werden kann) einen Dreistufenplan vor: Zunächst wird China massiv im Ausland strategische Investitionen vornehmen, vor allem in solchen Bereichen, aus denen sich die angeschlagenen westlichen Banken, die derzeit mit erhöhten Rücklageanforderungen (Basel III) konfrontiert sind, zurückziehen müssen.

Dann sollen zur Finanzierung von chinesischen Kapitalgüterexporten den Kunden massiv Yuan-Kredite – meist in Zehnmilliardentranchen – für ihre Großinvestitionen zur Verfügung gestellt werden. In einem dritten langfristigen Stadium – in zehn bis zwanzig Jahren – soll der chinesische Kapitalmarkt für Ausländer geöffnet werden. Als letzter Schritt soll der Yuan frei konvertibel werden – mit Beschränkungen gegen kurzfristige spekulative Kapitalflüsse, so das Statistikamt der Zentralbank.

Wie das erste Stadium aussieht, ist bereits erkennbar. Ja, man wolle den armen Europäern helfen, versicherte Premier Wen bei Angela Merkels Chinavisite in Peking. Doch innenpolitisch kommt das nicht so gut an: den faulen Westlern mit den eignenen hart erarbeiteten Geldern unter die Arme zu greifen, wo es in China noch genug Arme gibt. Deshalb macht es China nicht wie Japan, das bereits für vier Milliarden Euro 14 Prozent der Euro-Rettungsanleihen des EFSF gezeichnet hat, sondern Peking kauft sich in die Realwirtschaft ein: Für 2,7 Milliarden Euro wurde ein Fünftel des Energiekonzerns Energias de Portugal (EDP) erworben. Für 1,6 Milliarden Dollar wurde der ungarische Chemiekonzern Borsod-Chem aufgekauft. Der norwegische Rohstoffriese Elkem ging für zwei Milliarden Dollar an die China National Bluestar Group. Die italienische Werft Ferretti ging für 233 Millionen Dollar in chinesischen Besitz über.

Und das ist erst der Anfang. Die portugiesische Finanzministerin Maria Luís Albuquerque schätzt die bevorstehenden chinesischen Gesamtinvestitionen in ihrem Land auf acht Milliarden Euro – einschließlich einer Kapitalbeteiligung an Millennium BCP, der größten Bank Portugals. Auch in Spanien, Irland und Griechenland sind chinesische Staatskonzerne mit der Aussicht auf billige Staatskredite auf Schnäppchenjagd bei Großobjekten. Nicht immer sind die Erfahrungen gut. Der Hafen von Piräus wurde von ihnen für 3,3 Milliarden Euro für 35 Jahre gepachtet. Doch streiken bei allen Modernisierungsinvestitionen die kommunistischen Gewerkschaften dort ebenso lustvoll auch gegen ihre neuen kommunistischen Eigentümer.

Auch der Kauf des einst schwedischen Autobauers Saab fiel in letzter Minute durch. Der Erwerb von Volvo vor zwei Jahren klappte hingegen. Zwar bieten europäische Direktinvestitionen eine geringere Rendite als im Hochwachstumsland China, doch werden sie als eine immer noch weit bessere Geldanlage angesehen als die Schuldverschreibungen der USA (von denen die Chinesen noch mindestens 1,5 Milliarden Dollar halten – Tendenz fallend) und der Europäer – bei denen sie gar nicht erst zugreifen.

 

Dr. Albrecht Rothacher ist Asienexperte. Sein Buch „Demokratie und Herrschaft in Japan: Ein Machtkartell im Umbruch“ erschien 2010 im Iudicium-Verlag.

 

Die chinesische „Volkswährung“

Nach dem Sieg im Bürgerkrieg proklamierte KP-Chef Mao Tse-tung im Oktober 1949 die Gründung der Volksrepublik China. Damit einher ging eine Währungsreform. Die von der Kuomintang-Vorgängerregierung etablierten Währungen (Fabi, Gold- und Silber-Yuan) waren kriegsbedingt in Hyperinflation untergegangen. Der Renminbi („Volksgeld“) war zunächst wie die Währungen anderer kommunistischer Länder (DDR-Mark, Sowjet-Rubel) eine nicht konvertible Binnenwährung. Mit der Einführung marktwirtschaftlicher Reformen wuchs die Bedeutung des Renminbi (im Westen Yuan genannt) – und er wurde mit einer Bandbreite von 0,5 Prozent an den US-Dollar gekoppelt (etwa 8,20 Yuan je Dollar). Zwischen 2005 und 2008 war der Yuan an einen Währungskorb gebunden, er wertete zum Dollar stark auf. Chinas Zentralbank kehrte – auch aus Rücksicht auf die Exportindustrie – zur Dollarbindung zurück. 2010 wurde der Wechselkurs auf 6,67 Yuan festgelegt. Vorige Woche wurden nur noch 6,30 Yuan für einen Dollar bezahlt. Viele Ökonomen halten den Yuan dennoch weiter für stark unterbewertet.

Foto: Der chinesische Drache hat Europa im Blick: Wenig Interesse an den Euro-Rettungsanleihen

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