© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Betrifft: Carl Schmitt
Notizen von Günter Maschke

Ein harmloser Denker – Vizeadmiral Luis Giampietri, lange Jahre Chef der peruanischen Spezialtruppen und vermutlich der Feind, den der „Leuchtende Pfad“ am meisten fürchtete, nunmehr Chef der Hochschule der peruanischen Kriegsmarine, saß gern auf seinem zum Schaukelstuhl degradierten Direktorensessel und las eifrig, in spanischen und italienischen Übersetzungen, Carl Schmitt. „Ich verstehe die Aufregung über diesen Mann nicht, das ist doch ein ganz harmloser Denker, un pensador completamente inofensivo!“ So rief er mir bei einem Besuch im Frühsommer 1992 zu. Wer Tausende von verstümmelten Leichen gesehen hat, zu tableaus „geordnet“; wer in die Krater auf Limas Straßen blickte, die von großen Autobomben gerissen wurden; wer die an Todesmärsche gemahnenden Vertreibungen ganzer Dörfer in den Anden erlebte oder eine nur durch maßlosen Schnapskonsum mögliche Beinamputation eines Soldaten unter massivem Granatwerferfeuer, der muß auf einen solchen Gedanken kommen. Carl Schmitt, – das ist die akademisch temperierte, sozusagen wohnstubenmäßige Skizze des äußersten Punktes des Politischen, des Bürgerkrieges. Wer den in ihm gespeicherten Haß, die in ihm sich entladende Grausamkeit erlebt hat, für den mag Schmitts Werk zur Erbauungslektüre werden. Doch Ruhe bleibt auch hier des Denkenden erste Pflicht.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen