© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Das Ende der Wegwerfgesellschaft
Kampf dem Verderb: Die deutsche Rohstoffstrategie besinnt sich auf umfassende Wiederverwertung
Tim Menzel

In der DDR-Mangelwirtschaft war die Altstoffsammlung eine bittere Notwendigkeit, die im Westen belächelt wurde. 20 bis 50 Pfennig gab es für ein Kilo Papier, 2,50 Mark für Kupferschrott. Sogar verbrauche Silberfixierlösung aus der Film-Entwicklung wurde für 40 Pfennig pro Liter vom „Volkseignen Kombinat Sekundärrohstofferfassung“ (Sero) wieder aufgekauft.

Aufgeschreckt von den dramatisierenden Expertisen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR, JF 6/12) wird inzwischen auch der heutigen Politik wie Öffentlichkeit bewußt, daß Rohstoffe zwar nicht alles sind, aber ohne Rohstoffe alles nichts ist. Denn Deutschland mußte zwar schon immer weit mehr metallische und nicht-metallische Rohstoffe importieren als viele seiner Konkurrenten auf dem Weltmarkt – doch Knappheiten treiben die Preise. 2011 betrug das Importvolumen knapp 110 Milliarden Euro.

Nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) werden Entwicklungen in der Infomations-, Kommunikations- und Medizintechnik die Nachfrage nach einigen metallischen Rohstoffen mittelfristig auf ein Niveau schrauben, das deren heutige gesamte Weltproduktion übersteigt. Das Bundeskabinett, so versichert Bernhard Heitzer, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, wisse, welche „unverzichtbare Grundlage“ Rohstoffe für die industrielle Produktion und Wertschöpfung bedeuten und habe rechtzeitig die richtigen strategischen Entscheidungen getroffen (Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 1/12).

Dazu zählen Initiativen für den freien, fairen Handel, Rohstoffpartnerschaften, Programme zur Absicherung unternehmerischer Risiken bei der Rohstoffbeschaffung sowie, von Heitzer stark in den Vordergrund geschoben, „Effizienzsteigerung und Recycling“. Hier erinnern seine Ausführungen mitunter zwar an die „Kampf dem Verderb“-Parolen der deutschen Autarkiepolitik aus der Zwischenkriegszeit, doch ihrer Rationalität tut das keinen Abbruch.

So hat die 2010 unter dem Dach der BGR eingerichtete Deutsche Rohstoff­agentur in kurzer Zeit ein breites Informations- und Beratungsangebot erstellt. Zudem lobt sie den „Deutschen Rohstoffeffizienz-Preis“ aus, den 2011 vier Unternehmen und eine Forschungseinrichtung erhielten. Bereits seit 2006 berät Heitzers Ministerium kleine und mittlere Firmen in Sachen Materialeffizienz. Dafür stehen 200 „Materialeffizienzberater“ im Einsatz. Bei insgesamt 800 Milliarden Euro Ausgaben für Material, Roh- und Betriebsstoffe jährlich, dem Hauptkostenblock der deutschen Industrie, bestünde hier ein riesiges Einsparpotential.

Überdies fließen beträchtliche Bundesmittel in die Förderung kostengünstiger Technologien für optimale Materialverwertung, für Substitution und Recycling. Dabei steht die Rückgewinnung „kritischer Rohstoffe“ wie Indium aus Flachbildschirmen, Kobalt aus Batterien, Seltener Erden aus Handtelefonen oder Zinn, Zink und Blei aus Elektronikschrott im Zentrum „anwendungsnaher Forschung“. In diesen „Effizienz“-Rahmen fügt sich auch das am geowissenschaftlichen Traditionsstandort Freiberg vor kurzem gegründete Ressourcentechnologie-Institut der Helmholtz-Gesellschaft, das sich auf moderne bergbauliche Gewinnungs- und auf die Weiterentwicklung von Erz­aufbereitungstechnologien konzentrieren soll. Im internationalen Vergleich, so lobt Heitzer, glänze Deutschland schon heute als Weltmeister bei der Nutzung von Sekundärrohstoffen.

Bei Kupfer stehe man mit einer Wiederverwertungsquote von 54 Prozent einsam an der Spitze, und auch mit anderen Recyclingraten (25 Prozent bei Kobalt, 35 bei Aluminium, 90 bei Stahl) könne Deutschland „sich sehen lassen“. Als Ergänzung dieses wichtigen Bausteins der Rohstoffstrategie werde das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz demnächst auch das Wertstoffpotential sogar des Restmülls erschließen – durch Einführung einer Wertstofftonne für private Haushalte.

Foto: Heutige Mülltrennung und Altstoffaufkauf in der DDR (r.): Bundesmittel fördern nun Technologien für optimale Materialverwertung, Substitution und Recycling

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