© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Kaffee und Kuchen
Marcus Schmidt

Wer durch das Berliner Regierungsviertel streift, fühlt sich mitunter in die unwirtliche Retortenhauptstadt einer ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepublik versetzt. Die zahlreichen unbebauten Flächen vermitteln einen alles andere als urbanen Eindruck, und wer nicht aufpaßt und seinen Blick zu der Sandwüste rund um den neuen Hauptbahnhof schweifen läßt, kann leicht in einen kleinen märkischen Sandsturm geraten. Trotz der Touristen, die sich vor allem um den Reichstag tummeln, wirkt das nach der Wiedervereinigung aus dem Boden gestampfte Regierungsviertel an vielen Tagen zudem noch immer seltsam unbelebt.

Nun haben sich die Grünen der Sache angenommen und im Bundestag einen entsprechenden Antrag mit dem programmatischen Titel „Städtebauliche Qualität des Regierungsviertels verbessern“ eingebracht. Darin beklagen die Abgeordneten etwas umständlich formuliert, daß rund um den Reichstag „kaum öffentlich zugängliche Nutzungen“ existierten. Was die Parlamentarier damit sagen wollen: Die zahlreichen Berlin-Touristen, die sich den Reichstag und die umliegenden Neubauten des Bundestages, wie etwa das Paul-Löbe und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus sowie natürlich das Kanzleramt anschauen wollen, finden kaum einen Platz zum Verweilen, etwa ein Café.

Einer der letzten Orte zum Ausspannen, der sogenannte Bundespressestrand, mußte kürzlich den beginnenden Arbeiten für den Neubau des Bildungsministeriums weichen. Der Pressestrand, der seinem Namen der Nachbarschaft zum Haus der Bundespressekonferenz verdankte, erfreute sich gerade im Sommer mit seinem Sandstrand und den zahlreichen Liegestühlen inmitten der Stadt nicht nur bei Touristen großer Beliebtheit. Im entstehenden Neubau ist nun nicht mal ein öffentlich zugängliches Café vorgesehen, beklagen die Grünen. Grund hierfür seien sicherheitstechnische Richtlinien aufgrund der permanenten Terrorgefahr. Doch dies wollen die Grünen als Argument nicht gelten lassen. Die Bundesregierung habe zwar die Verantwortung für die Sicherheit der Mitarbeiter in den Ministerien. Trotzdem dürfe sie sich nicht von einer abstrakten Bedrohungslage in einem solchen Maße einschränken lassen, daß die Öffentlichkeit komplett außen vor bleibe. „So entsteht ein weiterer abgeschotteter Bürobau an einem Ort, der einen öffentlichen Charakter hatte“, heißt es in dem Antrag mit Blick auf das künftige Bildungsministerium.

Als positives Beispiel wird unter anderem immer wieder auf das Auswärtige Amt verwiesen, in dem es ein öffentliches Café und eine Buchhandlung gibt. Doch das Ministerium liegt indes überhaupt nicht im eigentlichen Regierungsviertel, sondern am traditionsreichen Werderschen Markt in der Nähe des Schloßplatzes. Und wer tatsächlich das öffentliche Café im Lichthof besuchen möchte, muß sich erst einer ausgiebigen Sicherheitskontrolle unterziehen, wie sie viele Touristen sonst nur vom Flughafen kennen. Besonders einladend ist das alles nicht.

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