© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Kesseltreiben gegen den Patron
Schweizerische Volkspartei: SVP-Parteistratege Christoph Blocher im Strudel der Affäre Hildebrand / Parteiinterne Kritik wächst
Frank Liebermann

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) wäre ohne Christoph Blocher nicht denkbar. Er schaffte es, aus der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei ohne nennenswerten Einfluß die moderne konservative Volkspartei SVP zu formen, die heute die stärkste Kraft im Schweizer politischen System ist. Doch die Zeichen mehren sich, daß der Patron der Partei immer mehr zur Last wird.

Nun verhandelt die Immunitätskommission des Bundes über den Nationalrat. Was ist geschehen? Die Staatsanwaltschaft in Zürich vermutet eine Verletzung des Bankgeheimnisses durch den Politiker. Um die Brisanz des Vorwurfs zu verstehen, muß man die Schweizer Volkspsyche begreifen: Eine Verletzung des Bankgeheimnisses ist dort mindestens gesellschaftlich so geächtet wie in Deutschland der Tatbestand der Volksverhetzung.

Auslöser für die Ermittlungen war die Affäre um den Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank Philipp Hildebrand. Die Frau des höchsten Bankers der Schweiz tätigte über sein Konto einen Devisenkauf von rund einer halben Million US-Dollar. Dies tat sie angeblich ohne sein Wissen. Brisant daran war, daß die Nationalbank einen Mindestkurs des Schweizer Franken gegenüber dem Euro beschloß, was zu einem massiven Kursgewinn seiner Frau führte. Ein Mitarbeiter von Hildebrands Bank spielte die Unterlagen Blocher zu, der daraufhin den Bundesrat als Kontrollbehörde informierte. Die Bank ließ im Anschluß eine externe Beratungsfirma die Bankgeschäfte von Hildebrand untersuchen, die zum Schluß kam, daß keine Verstöße gegen geltendes Recht vorliegen würden.

Im Januar trat er dann aber trotzdem zurück, da er keinen Beweis liefern könne, daß seine Frau ohne sein Wissen die Transaktionen abwickelte.

SVP-Vizepräsident Blocher wird nun unterstellt, die Unterlagen der Wochenzeitung Weltwoche zugespielt zu haben, was den Tatbestand der Verletzung des Bankgeheimnisses darstelle. Die Durchsuchung von Blochers Haus und Büro sollte Unterlagen zutage liefern, die belegen, was bei einem Treffen mit dem „Whistleblower“ aus der Bank im vergangenen Dezember besprochen wurde.

An der Parteibasis kommt der Rummel um Blocher nicht gut an. Nach den verlorenen Wahlen, für die viele den 71jährigen verantwortlich machen, rumort es in der SVP. Zwar schätzen die meisten SVPler die Leistungen des Altstars, aber immer öfter ist zu vernehmen, daß der 71jährige nur noch nerve und Platz machen solle für den Nachwuchs.

Kritiker bemängeln, Blocher habe seine Abwahl als Bundesrat im Jahr 2007 noch immer nicht verwunden. Sein Handeln sei eher von Frustration und Rache getrieben, weniger von konstruktivem Gestaltungswillen. Er kämpfe immer noch die Kämpfe von gestern, äußern sich Kommunalpolitiker hinter vorgehaltener Hand. Auch die Wahlniederlage mit einem Verlust von drei Prozent der Wählerstimmen – im statischen System der Schweiz ist das ein Erdrutsch – ist noch nicht verdaut, zumal Demoskopen ein noch schlechteres Abschneiden bei der aktuellen Sonntagsfrage ermitteln. Rund 50 Prozent der SVP-Wähler sind der Meinung, SVP-Strategiechef Blocher schade seiner Partei. Der wiederum erklärt, „nicht an seinen Ämtern“ zu hängen. Nun schielen alle auf den 5. Mai. Dann wählt die SVP-Delegiertenversammlung die Parteiorgane neu.

Aber nicht nur der Wirbel um Blocher selbst gibt Anlaß zu heftigen Diskussionen. Denn auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Zürich steht unter schwerem Beschuß. Besondere Kritik erfährt zur Zeit Oberstaatsanwalt Martin Bürgisser. In einem Pub in Bülach soll er sich gegenüber zwei Squashkollegen massiv über die Ermittlungen ausgelassen haben. Außerdem hätte er seine Abneigung gegenüber der SVP und Blocher geäußert. Am Nebentisch saß ein Kantonsrat der SVP, der daraufhin seinen Parteifreund und SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli informierte. Da ein Staatsanwalt auch in der Schweiz ergebnisoffen ermitteln soll und keine Vorurteile pflegen darf, ist der Vorfall sehr kritisch. Daher hat der Nationalrat eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingeleitet, die sich mit den Verfehlungen beschäftigen soll. Die nächste Runde im Streit um Blocher ist somit eingeläutet.

Foto: SVP-Urgestein Christoph Blocher: Immer öfter ist in der Partei zu vernehmen, der 71jährige solle Platz für den Nachwuchs machen

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