© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Pfründe und Posten
Politische Stiftungen: Steigende Mittel aus dem Staatshaushalt zementieren die Allmachtansprüche der Parteien
Michael Mayer / Curd-Torsten Weick

Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering (CDU), macht keinen Hehl aus seinem Unmut. Die Forderung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die 2009 eröffnete Dependance der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Abu Dhabi ohne Angabe von Gründen zu schließen, sei ein „Alarmzeichen“ dafür, daß politische Stiftungen in der arabischen Welt zunehmend „unerwünscht“ seien. Angesichts der „strategischen Partnerschaft“ zwischen den VAE und Deutschland, die der Tätigkeit der Stiftung vor Ort bis dato eine große politische Bedeutung beigemessen habe, könne der „unerwartete“ Schritt nur mit „völligem Unverständnis“ aufgenommen werden.

Der Schritt der Vereinigten Arabischen Emirate ist jedoch beileibe kein Einzelfall. Bereits Ende Dezember letzten Jahres waren in Kairo Vertreter der ägyptischen Staatsanwaltschaft und bewaffnete Sicherheitskräfte in die Räume der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gestürmt, hatten Festplatten, Schriftstücke beschlagnahmt und anschließend die Einrichtung versiegelt. Institutsleiter Andreas Jacobs zeigte sich anfangs gegenüber den Medien überrascht: „Ich kann mir das nur so erklären, daß die ägyptische Seite ihre Rechtsposition geändert hat.“ Laut KAS hatten die Behörden der seit über 30 Jahren vor Ort präsenten Stiftung die „illegale Präsenz im Lande“, die „Beteiligung an illegalen ausländischen Geldtransfers“ sowie die Verletzung der Souveränität Ägyptens zur Last gelegt.

Infolge wurde ein Strafverfahren eröffnet, und Jacobs und seine Mitarbeiterin wurden mit einem Ausreiseverbot belegt. Erst am 1. März – nach vielfachen Interventionen des Auswärtigen Amtes – wurde das Ausreiseverbot gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 250.000 Euro pro Person aufgehoben.

Es ist kein Geheimnis, daß die parteinahen Stiftungen mit ihren Auslandsvertretungen in über 100 Ländern neben ihren Eigeninteressen auch „deutsche Interessen“ verfolgen. Sibyllinisch erklärt entsprechend das federführende Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das die „entwicklungspolitische Arbeit“ der Stiftungen mit 216 Millionen Euro (2009) finanziert, daß KAS & Co. „nicht im Auftrag“ der Bundesregierung, sondern „lediglich“ mit deren Zustimmung und finanziellen Unterstützung handelten.

Diese besondere Stellung zwischen Gesellschaft und Staat bringt die Stiftungen in die Lage, auf inoffizieller Ebene Kontakte zu oppositionellen Kräften aufzunehmen, die offiziell nicht möglich wären. Der Vorwurf, daß sich Berlin in innere Angelegenheiten einmischt, kann dann nicht mehr so leicht erhoben werden. Doch die jüngsten Ereignisse offenbaren, daß diese Verquickung von partei-, stiftungs- und außenpolitischem Aktionismus gerade im Zuge der Ereignisse der Arabellion nicht überall goutiert wird.

Kein gutes Zeichen für die Parteien, die über die Jahre mittels ihrer nahen Stiftungen ihre Rolle als außenpolitischer Akteur ausgebaut haben. Entsprechend entsetzt resümiert Christdemokrat Pöttering die Situation: „Wer den Erfolg des Dialogs der Kulturen wolle, könne nicht diejenigen von dem Dialog mit der Zivilgesellschaft in den arabischen Ländern ausschließen, die sich dafür, wie die deutschen Stiftungen, engagiert einsetzen.“

Und dennoch. „Deutsche Stiftungen“, gemeint sind hier die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah), die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung sowie die parteinahe Stiftung der Linken (Rosa-Luxemburg- Stiftung), haben sich längst zu einem global player in puncto regierungsamtlich gestütztem Aufbau von Demokratie und Menschenrechten entwickelt.

Indessen liegen ihre Hauptaktivitäten im Inland. Politneutral werden hier die „gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit“ genannt. Das Problem: Eine wichtige Rolle dabei spielen die hinter den Stiftungen stehenden Parteien. Zwar müßten die Stiftungen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht nur rechtlich, organisatorisch und wirtschaftlich unabhängig von den ihnen nahestehenden Parteien sein, sondern auch politisch eine gewisse Distanz zu ihnen wahren.

Doch die nötige Distanz ist kaum ersichtlich. Allein ein Blick auf Leitungsposten genügt. Sie sind teils Versorgungs-, teils Abschiebeposten für „verdiente“ Parteimitglieder. Zudem werden gern jene Strukturen unterstützt, die Themen behandeln, die mit den hinter den Stiftungen verborgenen parteipolitischen Weltanschaungen harmonieren.

In diesem Sinne werden Kongresse und Seminare abgehalten, Ausstellungen konzipiert, politikberatende Studien erarbeitet und veröffentlicht sowie Stipendien vergeben. Nicht ohne Grund gelten die Stiftungen als Kaderschmieden der Parteien.

Für die Öffentlichkeit entsteht angesichts des tausendfachen innen- und außenpolitischen Engagements der politischen Stiftungen ein diffuses Bild. Diese Unschärfe wird bereits mit der formalrechtlichen Bezeichnungen der Organisationen unterstrichen: Die Benennung als Stiftung trifft nur auf die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zu, die anderen „Stiftungen“ sind eingetragene Vereine. Mit der Bezeichnung Stiftung wird hier der Eindruck erweckt, daß ein Privates, von einem Stifter zur Verfügung gestelltes Vermögen vorhanden ist. Dem ist nicht so.

Denn finanziert werden diese Organisationen vom Steuerzahler: Zuständig sind BMZ, das Bundesministerium des Innern, das Bundesbildungsministerium sowie das Auswärtige Amt. Die Spenden von Privatpersonen und Unternehmen spielen hier nur eine marginale Rolle. Bei den Bundeszuschüssen wird unterschieden zwischen Globalzuschüssen und projekt-orientierten Mitteln. Die Gelder, die hier von den Stiftungen abgerufen werden, steigen dabei ständig: Waren es im Jahre 2000 noch rund 295 Millionen Euro, sind es ein Jahr später bereits mehr als 330 Millionen, im Jahr 2010 überschreitet der Betrag 420 Millionen. Eine Steigerung von mehr als 40 Prozent. Vergleicht man die Wachstumsrate der Wirtschaft in diesem Zeitraum mit der Erhöhung der Zuschüsse an die politischen Stiftungen, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß der Zuschuß an politische Stiftungen im gleichen Zeitraum viermal so hoch ist!

Die jährlichen Zuwendungen aus den Bundesressorts legt der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags fest. Die Verteilung der Gesamtmittel richtet sich nach einem Schlüssel, der, so die KAS, „die dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt“.

Alles schön geregelt. Dennoch büßt die Politik beim Konstrukt der politischen Stiftung ihre nötige Transparenz ein. Dem Betrachter bietet sich hier ein Bild von komplexen und teilweise undurchsichtigen Aufgaben-, Personal- und Finanzstrukturen. Sieht man sich dann noch die teils skurrilen außenpolitischen Projekte à la „Auswirkung des indischen Nord-Ost-Konflikts auf das Leben von Frauen in Nagaland und Assam“ (Böll-Stiftung) oder die Gender Mainstreaming-Aktivitäten „Gender and Security Policy in West Africa“ (Ebert-Stiftung) an, ist eine Debatte um Sinn und Zweck der parteinahen Stiftungen zumindest diskussionswürdig. Doch die Diskussion über Sinn und Zweck der parteinahen Stiftungen – die in zunehmendem Maße in ihren Aktivitäten kaum noch zu unterscheiden sind – ist erstaunlich ruhig. Lediglich der Parteienforscher Hans-Herbert von Arnim (Stiftungen seien Ausdruck der „Allmachtansprüche der Parteien“) und der Bund der Steuerzahler (Stiftungszuschüsse müßten eine „kräftige Zäsur erfahren“) machen ihrem Unmut Luft.

Foto: Außenstelle der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin: Ob Zentrale oder Außenstelle – die politischen Stiftungen haben ihre respektablen Plätze in Berlin, Potsdam, München, Bonn (FES-Zentrale) und Sankt Augustin (Adenauer-Stiftung)

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