© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Adieu, ’Arald
Nachruf: Wer traut sich noch, im Fernsehen gegen die politische Korrektheit zu verstoßen, wenn Harald Schmidt weg ist?
Toni Roidl

Am 3. Mai endet ein Kapitel deutscher Fernsehgeschichte. Die Harald-Schmidt-Show wird eingestellt. Sat1 teilt mit, darauf hätten sich der Sender und Schmidts Produktionsfirma „nach intensiven Gesprächen“ geeinigt. Eine sechzehnjährige Ära geht zu Ende.

Kommentar von Sat1-Chef Joachim Kosack: „Harald Schmidt ist Late Night der Extraklasse. Doch auch die Erhöhung der wöchentlichen Frequenz auf drei Ausgaben hat die Fangemeinde leider nicht ausreichend erweitern können.“ Harald Schmidt kommentierte das überraschende Aus in typisch zynischer Weise in seiner Sendung: „Ich habe mich heute von meinem Sender getrennt.“ Er gehe jetzt bei ZDFneo putzen, so Schmidt weiter.

1995 war Deutschlands erfolgreichste „Late Night Show“ nach dem Vorbild des Amerikaners David Letterman gestartet. Schmidt war damals 38 Jahre und Helmut Kohl Kanzler. Mit ebenso deftigen wie feinsinnigen Lästerkommentaren wurde „Dirty Harry“ eine Marke in der sonst gesichtslosen Fernsehlandschaft. Lachend überfuhr er jede rote Ampel der politischen Korrektheit. Seine Sprüche waren Kult. Zum Beispiel: „Die Jugendlichen in Deutschland wissen nichts mehr von Geschichte. Zwölf Prozent von ihnen glauben, daß Adolf Hitler den Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Bei den über 70jährigen sind es sogar 82 Prozent.“

Selbst wenn Schmidt einen schlechten Tag hatte, war er noch besser, als die Platitüden der zahllosen Fernsehkomödianten. Schwer nachvollziehbar, so ein Qualitätsprodukt an dem abstrakten Wert der Quote zu messen, die ja verglichen mit der seines Kollegen Thomas Gottschalk gar nicht so schlecht war. Die Zuschauerbeteiligung pendelte bei acht bis neun Prozent.

Jetzt sagt niemand mehr solche Dinge über Margot Käßmann: „Eine geschiedene Bischöfin besoffen am Steuer. Bei uns Katholiken gar nicht möglich.“ Im Fernsehen gibt’s jetzt nur noch Mario Barth – und nichts mehr zu lachen. Und nie wieder die Stimme von der charmantön Frongssösiiin Nathalie Licard ... Seufz.

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