© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Aufgeschnappt
Auf der falschen Fährte
Matthias Bäkermann

Im niedersächsischen Burgdorf gibt es ein Hermann-Löns-Viertel. Mitte der fünfziger Jahre wurden die Straßen im westlichen Wohngebiet des Städtchens zu Ehren des Heimatdichters benannt. Eine „Harm-Wulf-Straße“, bezeichnet nach der Hauptfigur seines großen Erfolgsromans „Der Wehrwolf“ von 1910, trifft dort auf den „Wehrwolfsweg“. Die Straßenbeschilderung wurde jedoch irgendwann nach 1957 von einem wenig Literaturkundigen in der Kommunalverwaltung falsch in Auftrag gegeben. Seither prangte überall nur „Werwolfsweg“ auf den weißen Hinweisen.

Über die Deutungsversuche des Namens seitens der Kritiker machte sich Löns bereits zu Lebzeiten lustig: „Daß das weiter nichts bedeutet, als daß Harm Wulf sich wehrt; da kommt kein Mensch drauf.“ Auch nicht der Kulturausschuß der Stadt Burgdorf im Jahr 2012. Dort beschloß man Ende März, den falschen Straßennamen bewußt beizubehalten, obwohl Löns nie das mythische Fabelwesen im Sinn hatte. Die Lokalpolitiker fanden nämlich „Wehrwolf“ wegen der Assoziation zum gleichnamigen nationalistischen und „republikfeindlichen“ Wehrverband aus den zwanziger Jahren unpassend. „Stadt und Rat fragten sich, wer in einer nach Nationalisten benannten Straße wohnen wolle“, gibt der Anzeiger Burgdorf die Stimmung wieder. So wird fortan dreizeilig auf Zusatzschildern der Werdegang des „Werwolfswegs“ erklärt.

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