© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Ägypten vor der Präsidentschaftswahl
Konflikt oder Kompromiß
Günther Deschner

In sechs Wochen geht das Ringen um die politische Zukunft Ägyptens, des volkreichsten arabischen Staats, in die nächste Runde – mit der Wahl des Präsidenten, der dem Anfang letzten Jahres gestürzten Mubarak nachfolgen soll. Von den 20 Bewerbern spielen nur wenige eine Rolle: Den Kandidaten der Gruppen, die die „Arabellion“ in Kairo trugen, werden von Beobachtern wenig Chancen eingeräumt. Für den Ex-Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, erscheint ein Achtungserfolg denkbar. Doch Gewicht haben in erster Linie die Kandidaten der islamistischen Parteien, die im Parlament über eine 70-Prozent-Mehrheit verfügen – der Unternehmer Chairat al-Schater von den „Muslimbrüdern“ und der radikale Prediger Hasem Abu Ismail von den noch fanatischeren Salafisten.

Daß die Militärs noch in letzter Minute den 75jährigen General Omar Suleiman, Mubaraks früheren Geheimdienstchef, ins Rennen schickten, unterstreicht, daß es Ende Mai um eine Richtungswahl geht: Kommt es zur Konfrontation oder zur Kooperation zwischen Islamisten und Militärs? Ein Kompromiß zwischen den beiden könnte so aussehen, daß Muslimbrüder und Salafisten sich mit den Militärs arrangierten; erstere besetzten die politische Bühne, während die Militärs im Hintergrund ihre bisherige, seit Nassers Zeiten bestehende und seither immer weiter ausgebaute Machtstellung (zum Teil) behielten.

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