© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Netzpolitischer Gegenschlag
Internet: Angesichts des Erfolges der Piratenpartei rüsten CDU und CSU auf
Lion Edler

Abgesehen von der Piratenpartei gelten die etablierten Parteien vielen in der Netzpolitik als eher hiflos und inkompetent. Doch der größte Spott wird in diesem Zusamenhang meist über die Unionsparteien ausgeschüttet. Mit teilweise sonderbaren  Forderungen von Politikern aus den Reihen von CDU und CSU nach einem Verbot von Facebook-Partys oder nach einer Klarnamenpflicht im Netz sind die beiden Schwesterparteien allerdings auch nicht ganz unschuldig an diesem Eindruck.

Grund genug für die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Tauber und Thomas Jarzombek, sich um eine intensivere und vor allem professionellere Beschäftigung ihrer Partei mit dem Thema zu bemühen. Tauber und Jarzombek sind Sprecher des kürzlich gegründeten „C-Netz – Verein für Netzpolitik“. Der Verein bekennt sich zu einer „bürgerlichen und verantwortungsvollen Netzpolitik“ und spielt mit seinem Namen freilich auf das „C“ im Namen der Union an. Wie Tauber in seinem Blog schreibt, kommen die 59 Gründungsmitglieder „aus allen Bereichen unserer Gesellschaft“.

Viele seien Mitglied der CDU oder der Jungen Union, aber auch parteilose Bürger kämen hinzu, die sich im „bürgerlichen Lager“ politisch zu Hause fühlten. Der Netzpolitiker betont, daß die noch zu entwickelnden Positionen des Vereins nicht von den beiden Sprechern vorgegeben würden, sondern alle Mitglieder an der Positionierung beteiligt würden.

Innerhalb der Union gilt Tauber netzpolitisch als Liberaler, doch ein erster Grundsatztext des Vereins bekennt sich zwar zu einem „Internet der Freiheit“, verteilt aber auch offenkundige Seitenhiebe an die Piraten. „Freiheit ohne Verantwortung“, heißt es da, habe nach Ansicht des „C-Netz“ keinen Wert. Dies sei der „wesentliche Unterschied“ zu einer „Beliebigkeit ohne Verantwortung, von der andere reden“. Die taz mutmaßte anerkennend, das „C-Netz“ könne es schaffen, „zugleich konservativ und technikpositiv zu sein“. 

Tauber dürften solche Zuschreibungen gefallen. Im Januar hielt der Abgeordnete aus Hessen bei einem Kreisparteitag einen Vortrag zu den Themen Digitalisierung und Internet, mit dem er große Zustimmung von der Parteibasis erfuhr. Für Tauber ist das ein Beleg dafür, „daß unsere Parteibasis bei dem Thema weiter ist als manch ein Mandats- und Funktionsträger“. In dem Vortrag unterstrich Tauber die Bedeutung des Internets und kritisierte die von der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) einst vergeblich geforderten Netzsperren als „hilflosen Versuch“ und „ungeeignetes Instrument“.

Auch in der Frage der Klarnamen-pflicht steht Tauber konträr zu Äußerungen prominenter CDU-Politiker. Eine solche Maßnahme lehnt er vor allem ab, weil viele Frauen aus Furcht vor aufdringlichen Kontaktanfragen und Belästigungen in sozialen Netzwerken Pseudonyme benutzten, daneben hat der CDU-Politiker aber auch rechtliche Bedenken. Auch die innerhalb der schwarz-gelben Koalition heftig diskutierte Vorratsdatenspeicherung ohne Verdacht auf eine Straftat lehnt er ab, da er diese für kein wirksames Mittel der Kriminalitätsbekämpfung hält und zudem mit seinem Freiheitsbegriff nicht vereinbaren könne.

Beifall für die netzpolitische Initiative kommt ausgerechnet von der Piratenpartei: Der Berliner Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer lobte die Gründung des „C-Netz“ als „überfälligen Schritt“ und wünschte den CDU-Aktivisten „viel Erfolg“. Neben starkem Interesse erntete der Verein aber auch Kritik und spöttische Töne, wobei die Kritiker sich unter anderem auf den Namen des Vereins einschossen. Tauber kann sich daher „des Eindrucks nicht erwehren“, daß es vor allem Bürger mit „linker politischer Überzeugung“ geradezu „als Affront empfinden, daß wir uns erdreisten, einen Beitrag zur Netzpolitik leisten zu wollen. Wo ist denn da eure sonst wie eine Monstranz vor euch hergetragene Toleranz? Fehlanzeige.“

Bestätigt fühlen dürfte sich Tauber durch Internet-Reaktionen auf die Tatsache, daß auch die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), zu den Gründungsmitgliedern des C-Netzes zählt. „Netzpolitikerin? Steinbach? Selten so gelacht“, schreibt ein Kritiker bei Twitter. „Für ein Internet in den Grenzen von 1937!“ steht auf einem Satire-Plakat. Doch die Bundestagsabgeordnete reagierte kämpferisch: „Für die Piraten sind alle anderen twitterunfähig. Meine Lieben, Hochmut kommt vor dem Fall. Ihr werdet euch noch gehörig wundern. Versprochen!“

 www.c-netz.info

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