© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Die Kassemacher
Online-Geschäfte: Mit dem Internet-Schuhhaus Zalando haben die Samwer-Brüder ihren größten Coup gelandet
Ronald Berthold

Manch Nachricht erstaunt. Ende März beispielsweise machte die Information die Runde, daß das Internet-Schuhhaus Zalando im Berliner Stadtteil Kreuzberg eine Filiale eröffnet. Überraschend war die Kunde deshalb, weil der Weg vom E-Commerce-Laden zum Filialisten auf der Straße selten geworden ist. Noch erstaunlicher war, daß ausgerechnet die deutschen Online-Unternehmer Nummer eins, die Brüder Samwer, diesen  Pfad einschlagen.

Denn der Umsatz verlagert sich zunehmend auf das Geschäft im Netz. Das dortige Geschäft ist sowohl für die Kunden als auch für die Inhaber die bequemere Angelegenheit. Die einen sparen sich den Weg in den Laden, die anderen die Kosten für Verkäufer und Miete. Mit diesem Prinzip hat das erst im Mai 2009 gegründete Zalando bereits ein Jahr später geschätzte 250 bis 400 Millionen Euro Bruttoumsatz gemacht. 2011 dürften sich diese Summe deutlich erhöht, wenn nicht sogar potenziert haben.

Beinahe gleichzeitig zur ersten Niederlassung des jungen Zalando mußte das Berliner Schuh-Traditionsunternehmen Leiser Insolvenz anmelden. Ein weiteres Indiz dafür, wie sehr sich die Einkaufsgewohnheiten der Menschen ändern und wie sehr sich dies in der Branche niederschlägt. Wer die Entwicklung beider Unternehmen betrachtet, erkennt die Tendenz. Und die scheint trotz des Berliner Zalando-Experiments derzeit unaufhaltsam in Richtung E-Commerce zu gehen.

Hinter Zalando stecken drei deutsche Brüder: die 1970, 1973 und 1975 geborenen Marc, Oliver und Alexander Samwer. Das Trio hat die Möglichkeiten des Internet-Geschäfts schon sehr früh erkannt und reitet seitdem auf einer finanziellen Erfolgswelle. Die Samwers mischen an mehr Internet-Start-Ups in Deutschland mit als jeder andere Unternehmer. Sie sind die modernen Brüder Albrecht und verfügen offenbar auch über trockenen, nicht immer politisch korrekten Humor.

Ihr Fernsehwerbespot, in dem Schuhe in die 68er-„Kommune 1“ geschickt werden, sorgte für viele Lacher: Während die über ihren Klassenstandpunkt noch nicht ganz bewußte Zalando-Kundin vor Glück anfängt zu schreien, empört sich der Guru, der stark an Rainer Langhans erinnert, über den Konsumterror.

Begonnen hat die Geschichte der öffentlichkeitsscheuen Brüder bereits 1999. Damals gründeten sie das Internetauktionshaus Alando. Die Namens-ähnlichkeit zu Zalando ist nicht zufällig, auch nicht die Anlehnung an eBay. Das Geschäftsprinzip des US-Konzerns hatten sie fast 1:1 kopiert. Um den Wettbewerber loszuwerden, tat Ebay genau das, was sich die Brüder wünschten. Es machte ein Übernahmeangebot. Für 43 Millionen Dollar verkauften die Samwers ihr virtuelles Auktionshaus nur sechs Monate nach der Gründung.

Die damals zwischen 24 und 29 Jahre alten Brüder waren gemachte Leute. Doch sie legten die Hände nicht in den Schoß, sondern weitere Köder für finanzstarke Internet-Unternehmen aus. Was einmal funktionierte, sollte wiederholt werden und letztlich zur standardisierten Geschäftsidee der Samwers werden.

Mit dem Klingelton- und Mobiltelefonsoftware-Anbieter Jamba! gelang ihnen ein zweiter Coup. Nur ein Jahr nach der Abgabe von Alando hoben sie das Unternehmen, das sich vor allem an Jugendliche wandte, aus der Taufe. Ein origineller und vor allem sehr oft wechselnder Klingelton beim Handy galt damals als eine Art Statussymbol auf den Schulhöfen.

Der Umsatz erreichte astronomische Höhen. Acht Wochen nach der Gründung, an der sich die Giganten debitel, MediaSaturn und Electronic Partner beteiligten, hatte Jamba! mehr als 300.000 Nutzer. Täglich kamen bis zu 4.000 neue  hinzu. Schon nach einem Dreivierteljahr verfügte das Unternehmen über mehr als eine Million registrierter Benutzer.

2004 war es an der Zeit, Kasse zu machen. Für 273 Millionen US-Dollar ging Jamba! an das US-Unternehmen Verisign. Offenbar hatten die Samwers genau den richtigen Zeitpunkt gefunden, um den Ausgang aus diesem Geschäftsmodell zu erwischen. Denn mit dem Unternehmen ging es bergab. Klingeltöne genießen keine so hohe Priorität mehr.

Als eine der ersten in Deutschland bewiesen die Samwers auch mit dem sozialen Netzwerk StudiVZ den richtigen Riecher für einen neuen Trend. Um die Übernahme dieser Gründung prügelten sich dann zwei deutsche Mediengiganten. Zwischen den Verlagen Holtzbrinck und Axel Springer entstand ein Wettbieten um die Plattform und deren junge Kunden. Bei 85 Millionen Euro streckte Springer-Chef Mathias Döpfner die Waffen. Holtzbrinck machte das Rennen, wurde mit StudiVZ aber nie glücklich. Heute gilt die Übernahme als größte Fehlinvestition. Für die Samwer-Brüder aber war es ein lohnendes Geschäft. Wieder einmal waren sie auf dem Umsatzhöhepunkt eines ihrer Unternehmen ausgestiegen und hatten sich dies fürstlich bezahlen lassen.

Und so ging es weiter. 2010 verkauften sie ihren Groupon-Klon CityDeal an eben jenes Coupon-Unternehmen. Die Samwers halten dafür nun zwischen sieben und zehn Prozent des Online-Giganten. Erst Ende März ging die Amazon-Kopie Lazada aus dem Samwer-Imperium online – und zwar in Südostasien, wo Amazon noch nicht aktiv ist. Auch hier hoffen die Deutschen auf potente Käufer.

Ihr Erfolg blieb nicht verborgen. Für ihre Geschäfte konnten die Brüder bedeutende Investoren gewinnen: Tengelmann, Crédite Agricole, Zimbo, United Internet, die web.de sowie 1&1 betreiben, beteiligten sich zwischendurch an den Deals der Deutschen. Sie wollten dabeisein, wenn bei den Samwers der Rubel rollte.

Inzwischen ist das Trio selbst unter die Investoren gegangen. Mit dem European Funders Found (EFF) finanzieren sie Unternehmen wie das Spieleportal Bigpoint, das vor allem in Süddeutschland erfolgreiche soziale Netzwerk Lokalisten oder den YouTube-Konkurrenten MyVideo. Auch hier nutzten die Brüder ein bereits funktionierendes Prinzip aus den USA. Dort existiert der Funders Found. Für ihr von Deutschland aus betriebenes Geschäft setzten sie einfach ein „European“ davor.

So einfach kann Big Busineß sein.

Foto: Imperium der Samwer-Brüder: Marc, Alexander und Oliver (v.l.n.r.) feiern die gewinnbringende Fusion ihres Alando-Auktionshauses mit eBay (1999)

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