© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Wege antiker Kulturen
Ex meridie lux: Die Ausstellung „Licht des Südens“ in München präsentiert Begegnungen zwischen Mittelmeer und Zentraleuropa
Felix Dirsch

Die Initiatoren einer vielgepriesenen Ausstellung in der Münchner Archäologischen Staatssammlung haben das Licht vom Orient („ex oriente lux“) in den Süden verlegt. Von dort strahlt es immer wieder in den zentraleuropäischen Raum. Auch andere Routen der antiken Welt werden nicht ausgespart. Der Besucher entdeckt Zusammenhänge kultureller, ökonomischer und technischer Art, die er kaum vermutet hätte. Eine erste, vielbeachtete Ausstellung zu dem großen Themenkomplex der Kulturkontakte in der Antike fand 2011 in Trient statt. Viele der dortigen Exponate sind nunmehr in der bayerischen Landeshauptstadt zu sehen.

Das in der Gegenwart so viel diskutierte Phänomen der Globalisierung öffnet den Blick für ähnliche Erscheinungen in weit früheren Epochen der Historie. Der enormes Aufsehen erregende „Ötzi“-Fund im österreichisch-italienischen Alpengebiet vor rund zwei Jahrzehnten popularisiert zudem die Vorstellung von der beachtlichen Mobilität in Bronze- und Eisenzeit. Anhand zahlreicher Gegenstände kann sich der Besucher ein Bild davon machen, wie die seinerzeitige Begegnung von Menschen verschiedener Herkunft ausfiel, etwa von Römern und Galliern, von deren Aufeinandertreffen Cäsar an prominenter Stelle seines Werkes berichtet.

Die Ausstellung ist in folgende Bereiche gegliedert, die aus unterschiedlichen Perspektiven Aufschluß geben über die Genese der antiken „One World“: „Auf dem Markt“; „Transport und Verkehr“; „Fortschritte durch Technik“; „Die Art zu leben“; Religiöse Symbole“; „Kommunikation in Bild und Schrift“; „Rom und seine ‘globale’ Welt“. Aus dem ökonomischen Sektor sind Werkzeuge wie die großen Jadebeile, ursprünglich Arbeitsgeräte, später Kultgegenstände, zu sehen, die sich im Neolithikum vom italienischen Monte Viso bis nach Deutschland, Dänemark und Großbritannien, ja sogar bis nach Bulgarien ausbreiten. Des weiteren sind die Handelsrouten von Korallen, Muscheln, Glasperlen, Bernstein, Wein, Oliven, Münzgeld und noch einigem mehr vor Tausenden von Jahren zu verfolgen.

Nachdem sich im Neolithikum ein neues Verhältnis von Mensch und Tier bemerkbar macht, ist im Rahmen der Transportverbindungen das Thema der Archäozoologie (vor allem hinsichtlich der Vor- und Frühgeschichte Norditaliens) von besonderer Bedeutung.

Die Entwicklung des technischen Fortschritts kann man schön anhand der Wege erkennen, die die Metalle Kupfer, Zinn, Gold, Silber und Eisen vom Mittleren Osten nach Nordeuropa nehmen. Einer der Schwerpunkte ist die Metallurgie.

Im Rahmen der Lebensart werden verschiedene Völker unter die Lupe genommen: Etrusker ebenso wie Griechen und Italiker. Von den gezeigten Gerätschaften spielen die militärischen eine herausragende Rolle, aber auch Schmuck und Ornamente als „Macht- und Prestigesymbole“ im 1. Jahrtausend, selbst auf die „Musikvermittlung als transkulturelles Element“ wird eingegangen.

Im Kontext der religiösen Symbole thematisiert man vor allem das in den letzten Jahrzehnten ausgiebig debattierte Gebiet von neolithischen Idolen und matriarchalischem Kult. Erst in letzter Zeit wird die seit den 1960er Jahren meist mythisch verklärte „Große Mutter“ ein wenig nüchterner betrachtet. An der quantitativen Vermehrung weiblicher Figuren in dieser geschichtlichen Periode ist allerdings nicht zu zweifeln. Ob das der männlichen Dominanz so sehr Abbruch tut, wie häufig vermutet, sei dahingestellt.

Faszination entfalten auch die Spuren der phönizisch-griechisch-etruskischen Alphabetisierungswege, ein Schwerpunkt des Abschnittes „Kommunikation in Bild und Schrift“. Die Ausstellung versucht, etwaige Verbindungen zum Keltischen, Venetischen, Rätischen, Etruskischen, Lateinischen sowie zu den italischen Sprachen zu erörtern, was selbst unter Zuhilfenahme moderner Forschungsmethoden kein leichtes Unterfangen ist. Immerhin kann kaum bestritten werden, daß die Schrift der Phöniker einen gut bezeugten Ausgangspunkt darstellt. Hinweise auf die frühe Kunst in Europa und das Rechnen im antiken Italien runden diesen Part ab.

Vergleichsweise bekannt in weiten Teilen des gebildeten Publikums ist die Globalität der römischen Welt, die nicht zuletzt in christlichen Quellen immer wieder hervorgehoben wird. So betont der Apostel Paulus die große Nützlichkeit des römischen Straßen- und Transportwesens. Von den Exponaten ist besonders auf metallenes Tafelgeschirr, aber auch auf Münzen hinzuweisen, die für den Zusammenhalt des Imperiums stehen.

„Im Licht des Südens“ zählt zu den bemerkenswertesten Münchner Ausstellungen, die dem Interessierten in den letzten Jahren geboten worden sind. Abgerundet wird dieses kulturelle Ereignis von hohem Rang durch diverse Vorträge in Bildungseinrichtungen und Akademien der Landeshauptstadt. Außerdem kann der Besucher auf den exzellent gestalteten Katalog aus dem Kunstverlag Josef Fink zurückgreifen, der ihm hilft, das viele Sehenswerte zu vertiefen.

Die Ausstellung ist bis zum 27. Mai in der Archäologischen Staatssammlung München, Lerchenfeldstraße 2, täglich außer montags von 9.30 bis 17 Uhr, sonntags von 10 bis 18 Uhr, zu sehen. Telefon: 089 / 2 11 24-468

 www.imlichtdessuedens.de

Foto: Antefix (Stirnziegel) mit Gorgoneion-Darstellung, Cerveteri (Italien), letztes Viertel 6. Jahrhundert v. Chr.: Das in der Gegenwart so viel diskutierte Phänomen der Globalisierung öffnet den Blick für ähnliche Erscheinungen in weit früheren Epochen der Historie

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