© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Abschied von Humboldt: Studieren als Zeitvertreib
Überwiegend unmotiviert
(dn)

Gegen die Bologna-Hochschulreform bringen nicht nur deutsche Kritiker gern den „Mythos Humboldt “ in Stellung, der für eine vom ökonomischen Druck befreite Forschung und Lehre steht. Mit den realen Bedingungen, so weist der emeritierte Osnabrücker Soziologe Györgi Széll angelsächsische Bologna-Kritiker in die Schranken (Sozialwissenschaftliche Literatur Rundschau, 63/2011), habe diese idealistische Position aber wenig gemein. Denn einerseits gebe es wirklich etwas zu reformieren, vor allem die Lehre, die „weitgehend miserabel“ sei. Wenn der Massenansturm durch die Bologna-Bürokratie auch nicht bewältigt worden sei, sei das nicht den Reformern anzulasten. Zudem dürfe man vor der harten bildungssoziologischen Tatsache nicht die Augen verschließen, daß das Studium nur für ein Drittel deutscher Studenten Lebensmittelpunkt sei, für ein weiteres Drittel nur Notbehelf. Die Hälfte aller Studenten jobben. Die „überwiegende Mehrheit“ sei also „höchst unmotiviert für das Studium“. Auf jeden Fall wollten die wenigsten Wissenschaftler werden. Kein Wunder, daß ein Verlegenheitsfach wie BWL das beliebteste Studienfach ist. „Fast jeder Fünfte studiert es. Wo bleibt da das Bildungsbedürfnis?“ Der Abschied von Humboldt hat sich Szell zufolge bereits lange vor der angeblichen „marktliberalen Zerstörung“ der Universitäten vollzogen.

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