© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

Deutsche U-Boote vor Haifa
Außenpolitik: Die Grass-Debatte rückt erneut die deutschen Lieferungen von Unterseebooten an Israel ins öffentliche Interesse
Marcus Schmidt

Kein anderer Waffenexport sorgt regelmäßig für so heftige Diskussionen wie die Lieferung von hochmodernen deutschen U-Booten nach Israel. Dies liegt zum einen an der sicherheitspolitischen Lage im Nahen Osten wie auch an dem Umstand, daß Deutschland Israel die U-Boote jeweils geschenkt beziehungsweise einen Großteil der Kosten übernommen hat.

Insgesamt wurden bislang fünf deutsche U-Boote an Israel geliefert beziehungsweise befinden sich im Bau oder der Erprobung, ein sechstes ist Vereinbart. Den Anfang machte 1991 die schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl, die im Zuge des Golfkrieges gegen den Irak Israel unter anderem drei U-Boote im Wert von 1,1 Milliarden D-Mark versprach. Die rot-grüne Regierung legte 2005 nach und vereinbarte mit Israel die Lieferung von zwei weiteren U-Booten der Dolphin-Klasse, die mit dem hochmodernen Brennstoffzellen-Antrieb ausgerüstet wurden. Deutscher Anteil an den Kosten von einer Milliarde: 333 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr schließlich entschied die Bundesregierung, den Bau eines sechsten Bootes mit 135 Millionen Euro zu unterstützen.

Im Zuge der Diskussion über die Israelkritik Günter Grass’ sind die U-Boot-Lieferungen nun wieder zum Thema geworden. Grass kritisiert insbesondere, daß die U-Boote nuklear bestückte Marschflugkörper abschießen könnten (daß „... ein weiteres U-Boot nach Israel geliefert werden soll, dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe“ abzuschießen). Eine offizielle Bestätigung dafür, daß die israelischen Einheiten über diese Fähigkeiten verfügen, gibt es von seiten der israelischen Regierung nicht. Dennoch spricht einiges dafür.

In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Berichte aus anonymen amerikanischen und israelischen Quellen, denen zufolge bislang mindestens drei U-Boote für den Start von Raketen ausgerüstet wurden. Bei diesen 1999 und 2000 an Israel übergebenen Einheiten handelt es sich um die von Kohl versprochenen Boote. Experten spekulieren darüber, daß die U-Boote in der Lage sind, über Torpedorohre amerikanische „Harpoon“-Raketen oder ähnliche selbstentwickelte Flugkörper zu starten. Als Indiz hierfür wird gewertet, daß die Einheiten auf Wunsch Israels zusätzlich mit vier für die „Harpoon“ paßgenauen Torpedorohren mit einem Durchmesser von 650 Millimeter statt der sonst üblichen 533 Millimeter ausgerüstet wurden. Gegen die „Harpoon“-Theorie spricht indes die vergleichsweise geringe Reichweite der Raketen, die bei weniger als 300 Kilometern liegt.

Neben der grundsätzlichen Frage der Lieferung von U-Booten an Israel spielt in der Diskussion immer auch die Frage eine Rolle, ob diese Waffenlieferungen in den Nahen Osten rechtlich überhaupt vertretbar sind. Die Ausfuhr von Kriegswaffen unterliegt in Deutschland dem Kriegswaffenkontrollgesetz, das nach allgemeinem Verständnis den Export in Krisengebiete verbietet. Laut Paragraph 6 des Gesezes muß die Ausfuhr von Waffen unter anderem untersagt werden, „wenn die Gefahr besteht, daß die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden“. In dem Gesetz ist geregelt, daß für die Genehmigung von Waffenexporten die Bundesregierung zuständig ist. Diese Aufgabe übernimmt der geheim tagende Bundessicherheitsrat, dem neben der Kanzlerin unter anderem der Verteidigungs- und der Außenminister angehören, und der den Lieferungen bislang immer zugestimmt hat.

Diese Entscheidung ist das Ergebnis eines Mixes aus aktueller Politik und der deutschen Vergangenheitsbewältigung. Wurde die Entscheidung der Kohl-Regierung 1991 als Kompensation für deutsche Waffenlieferungen an den Irak gedeutet, der Israel im Golfkrieg mit Scud-Raketen beschossen hatte, kann die Entscheidung von 2005 als Spätfolge der deutschen Haltung im zweiten Irak-Krieg gewertet werden. Doch den Grundton bildet immer die Wiedergutmachung für den Holocaust, wie der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), Ende 2005 vor dem Bundestag deutlich machte: „Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die Existenz und Sicherheit des Staates Israel“, sagte er mit Blick auf die U-Boote.

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