© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

Für eine Zukunft ohne Italien
Südtirol: Über 5.000 Teilnehmer am „Freiheitsmarsch“ der Schützen / „Manifest für die Unabhängigkeit“ verabschiedet
Hans Gernheim

Die Tiroler Schützen marschieren wieder. Und es sind Tausende. Der „Freiheitsmarsch“, zu dem der Südtiroler Schützenbund (SBB) am vergangenen 14. April aufrief, hat ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt.

Der Südtiroler Schützenbund, ein überparteilicher patriotischer Traditionsverband, gilt als das „historische Gewissen“ Südtirols. Aufgrund einer 500jährigen Tradition des freien Wehrbauerntums, die in den Tiroler Freiheitskriegen von 1809 ihren Höhepunkt fand, zählen die Tiroler Schützen zu den Identitätsträgern des Landes.

In den vergangenen Jahren hat sich der Schützenbund immer wieder zu volkstumspolitischen Themen geäußert. Ob faschistische Denkmäler oder die erzwungene italienische Ortsnamengebung – die Schützen galten den einen als „Scharfmacher“, den anderen als Mahner für die Erhaltung der Tiroler Identität.

 Diesmal ging die Schützenleitung allerdings auf direkte Konfrontation zum italienischen Staat: Eine Großdemonstration in der Landeshauptstadt Bozen unter dem Motto „Freiheitsmarsch – Ohne Rom in die Zukunft“ sollte der steigenden Unzufriedenheit vieler Südtiroler mit dem italienischen Staat Ausdruck verleihen.

Im Vorfeld hatte der Marsch für Polemiken gesorgt: Erstmals hatte sich nicht nur die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) von der Aktion der Schützen distanziert, sondern mit den Südtiroler Freiheitlichen auch die größte deutsch-patriotische Oppositionspartei. Zeitlich zu nahe am gesamtitalienischen Veteranentreffen der Alpini (Gebirgsjäger) im Mai 2012 sei der Marsch eine unnötige Provokation der italienischen Volksgruppe, so lautete der Kommentar der deutschsprachigen Presse des Landes. Als selbst innerhalb des Schützenbundes einzelne Kompanien der Landesleitung die Gefolgschaft verweigerten und ein als überheblich empfundenes Schreiben der Schützenleitung an die Landtagsabgeordneten für Aufregung sorgte, schien die Veranstaltung zum Scheitern verurteilt.

Die Spannung war deshalb vielen Schützenhauptleuten ins Gesicht geschrieben, als sich der Demonstrationszug um 19 Uhr zu formieren begann. Als sich nach und nach am Versammlungsort die Kompanien einfanden, war bald klar: Der Freiheitsmarsch schien innerhalb der Schützen großen Anklang zu finden. Zu Hunderten kamen die überwiegend jungen Männer und Frauen auf dem Grieser Platz zusammen, von dem sich dann eine endlos scheinende Marschkolonne im Gleichschritt und begleitet von Trommelwirbel Richtung Regierungskommissariat, dem Sitz des höchsten Repräsentanten des italienischen Zentralstaates, in Bewegung setzte.

Im Gegensatz zu früheren Schützenaufmärschen waren außer den in Tracht gekleideten Schützen auch zahlreiche Sympathisanten aus allen Bevölkerungsschichten erschienen. Vor dem Regierungskommissariat sollte dem Regierungskommissar Fulvio Testi ein „Manifest für die Unabhängigkeit Südtirols“ überreicht werden. Doch der höchste Staatsbeamte Roms ließ ausrichten, er sei verhindert.

 „Wenn der Regierungskommissar keine Zeit für 5.000 Menschen hat, die vor seiner Tür warten, dann ist dies ein Beweis dafür, wie überflüssig dieses Amt ist“, so Schützenkommandant Elmar Thaler zur anwesenden Presse.

Bei Fackelschein zog der Demonstrationszug Richtung Altstadt weiter. Mittlerweile hatten sich die meisten Schaulustigen, darunter auch Italiener, dem Zug angeschlossen. Auf dem Platz vor dem Südtiroler Landtag wurde die Schlußkundgebung abgehalten. Aus allen Südtiroler Bezirken ergriffen Schützen das Wort und forderten die Lösung Südtirols aus dem italienischen Staatsverband.

Geschickt griffen die Schützen dabei die Zukunftsmodelle der Südtiroler Parteien auf: nur eine Präferenz für die Freistaatslösung, wie ihn die Freiheitliche Partei Südtirols vorschlägt, eine Wiedervereinigung mit Österreich (Vorschlag der Südtiroler Freiheit) oder die von der regierenden Südtiroler Volkspartei propagierte „Vollautonomie“ ließ sich keiner der Redner entlocken.

Das „Manifest für die Unabhängigkeit“ wurde per Akklamation von der mittlerweile auf 6.000 Menschen angewachsenen Menge beschlossen und den drei Südtiroler Landtagsabgeordneten, die mitmarschiert waren, übergeben. „Wir werden auch weiterhin mit unseren Freiheits- und Friedensmärschen nicht aufhören, denn wir wollen eine Zukunft ohne Italien“, so das Schlußwort des Landeskommandanten Thaler unter dem tosenden Applaus der Tausenden Teilnehmer. Der erste Schritt dazu kann als voller Erfolg für den Schützenbund gewertet werden.

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Foto: An der Spitze des Freiheitsmarsches in Bozen: Major Fritz Tiefenthaler (Landeskommandant des Bundes der Tiroler Schützen), Major Elmar Thaler (Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes) sowie Major Giuseppe Corona (Alt Tyroler Schützen-Andreas Hofer (A.T.S.) (v.l.n.r.)

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