© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

Das gescheiterte Experiment beenden
Euro-Krise: Deutsche und französische Wirtschaftsexperten für neue Währungsordnung
Bruno Bandulet

Im Oktober vergangenen Jahres trafen sich deutsche und französische Ökonomen zum ersten Mal in Lyon, um die Krise des Euro zu analysieren und um über Alternativen zu der 1999 als Buchwährung und 2002 als Bargeld eingeführten Einheitswährung zu beraten (JF 42/11). Ein halbes Jahr später setzten sie sich wieder zusammen, diesmal in Düsseldorf. Das Ergebnis war vorige Woche ein Appell an die Regierungen und Völker der EU, den Euro zu beenden und durch eine bessere Währungsordnung für Europa zu ersetzen.

Prominente Teilnehmer waren das frühere französische Kabinettsmitglied Roland Hureaux und der Unternehmer Michel Robatel auf französischer Seite und aus Deutschland die Professoren Wilhelm Nölling, langjähriges Mitglied des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank, Joachim Starbatty, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, Karl Albrecht Schachtschneider, der schon 1998 in Karlsruhe gegen die Einführung des Euro geklagt hatte, und Dieter Spethmann, der ehemalige Vorstandschef der Thyssen AG.

Gleich zu Beginn der Tagung erzielte die Runde Einigkeit darüber, daß die offizielle Lesart der Euro-Krise am Kern des Problems vorbeigehe und deshalb irreführend sei: die regierungsamtliche Propaganda nämlich, daß der Euro im Prinzip in Ordnung sei und daß die Staaten nur ihre Schulden unter Kontrolle bringen müßten.

Ganz offensichtlich läuft die Taktik in Berlin, Paris und Brüssel darauf hinaus, Zeit zu kaufen, indem die Europäische Zentralbank (EZB) das System mit Geld flutet (zuletzt mit insgesamt mehr als einer Billion Euro, JF 11/12) und indem immer größere Rettungsschirme aufgespannt werden – bislang die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), ab dem Sommer mit Hilfe des dauerhaften sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), über den Bundestag und Bundesrat noch abstimmen müssen. „Wenn aber der Euro selbst das Problem ist“, sagte Starbatty in Düsseldorf, „dann nutzt es nichts, Zeit zu kaufen“. Oder, in den Worten des Pariser Wirtschaftsprofessors Gérard Lafay: „Nicht das Ende des Euro bedeutet die Apokalypse, sondern das Weitermachen.“ Vorboten dieser Apokalypse, auch dies war ein Konsens der Tagung, sind eine Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland in der Höhe von bald 50 Prozent, eine zunehmende Verelendung in Teilen Südeuropas, Kapitalflucht, Verlust des sozialen Friedens, Investitions- und Konsumverweigerung, Ansteigen der Kriminalität, Schwächung des Rechtsstaates und damit der Grundlagen der Demokratie.

Nicht in erster Linie Haushaltsdefizite, so das Fazit, sind der Grund für die Euro-Katastrophe, sondern die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der 17 Euro-Mitgliedsländer, die eben wegen dieser Unterschiede keine fixierten Wechselkurse und keine uniforme Geld- und Zinspolitik vertragen.

Am besten läßt sich das mit der Entwicklung der Leistungsbilanzen seit der Jahrtausendwende belegen und erklären: Auf der einen Seite deutsche Überschüsse, die sich inzwischen auf 40 Prozent (!) des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) kumuliert haben und die sich seit 2008 auf rund 150 Milliarden Euro im Jahr belaufen – und auf der anderen Seite permanente griechische, portugiesische, spanische, italienische und – seit 2006/2007 – auch französische Defizite in der Außenbilanz. Defizite also, an denen sich die fehlende Wettbewerbsfähigkeit und das Ausmaß der benötigten Währungsabwertung der betroffenen Länder ablesen lassen.

Abwerten können die Südeuropäer aber erst, wenn sie ihre Währungshoheit zurückgewonnen haben. Genau dies war der Inhalt des Düsseldorfer Appells: Ersatz des Euro durch neue nationale Währungen, wobei selbstverständlich auch Währungsabkommen zwischen zwei oder mehreren Nationen auf freiwilliger Basis möglich sein sollen; Umstellung aller Preise, Löhne, Bankguthaben, Schulden usw. von Euro auf die jeweilige neue nationale Währung im Verhältnis eins zu eins; dann, nachdem die neuen Währungen am Markt auf- oder abgewertet und sich so eingependelt haben, daß normale Wettbewerbsbedingungen wiederhergestellt sind, ein neues europäisches Währungssystem, in dem die Devisenkurse mit einer Bandbreite von plus/minus zehn Prozent schwanken können; und schließlich Ersatz des Euro durch eine europäische Währung unter einem anderen Namen, die als Verrechnungseinheit fungiert.

Nur so könne der europäische Gedanke wiederbelebt, Europa gestärkt, die Arbeitslosigkeit bekämpft und das drohende Chaos abgewendet werden – darin waren sich die deutschen und französischen Experten einig. Dies aber setze voraus, „die ausweglose Rettung der Gemeinschaftswährung so bald wie möglich zu beenden“. Der Ökonomieprofessor Alain Cotta (Universität Paris-Dauphine) formulierte es so: „Mit eigenen Währungen wird den Nationen die Souveränität zurückgegeben.“

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Finanzdienstes „Gold & Money Intelligence“ und Mitglied der deutsch-französischen Euro-Arbeitsgruppe.  www.bandulet.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen