© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

CD: Hyperion-Trio
Miteinander verflochten
Sebastian Hennig

Das Hyperion-Trio präsentiert eine chronologisch und musikhistorisch auf bemerkenswerte Weise miteinander verflochtene Einspielung von Werken der Komponisten Johannes Brahms (1833–1897) und Iwan Knorr (1853–1916). Brahms verfuhr außerordentlich skrupulös mit seinen zeitigen Hervorbringungen. Eine ganze Reihe von Werken der Gattung Klaviertrio vernichtete er nach zum Teil sogar erfolgreicher Aufführung, bevor er dem Opus 8 von 1854 eine gewisse Lebensfähigkeit zugestehen mußte, weil der renommierte Musikverlag Breitkopf & Härtel sich zur Veröffentlichung bereit erklärt hatte.

Wieder ein Verleger veranlaßte 35 Jahre später eine leichte Revision, die sich zur grundlegenden Umgestaltung auswuchs. Eine heute in Wien bewahrte Kopistenabschrift sammelte damals die Vermieterin aus dem Papierkorb, weil sie die zerrissenen Notenfetzen für eine Originalpartitur hielt.

Das Jahr der Erstentstehung des Opus 8 war das der befeuernden Bekanntschaft mit Clara Schumann, mit der Brahms zeitweise sogar die Wohnung teilte, während deren Gatte sein Zimmer in Endenich bezog. In dieser Hinsicht ist das Spektrum der Selbstäußerungen über Brahms Revision bezeichnend. Da ist die Rede von „kastriert“ gegen den Verleger, „die Haare ein wenig gekämmt und geordnet“ gegen den Freund und „noch einmal geschrieben“ gegen Clara Schumann. Viel ungestümes Gefühl wurde hier in abgeklärte Bahnen geleitet. Für uns Nachgeborene ist es ein Einblick in die Komponistenwerkstatt, vergleichbar zwei Zustandsdrucken einer Rembrandt-Radierung, die beide in sich vollendet sind.

Direkter gegenwärtig ist Robert Schumann in dem Stück von Iwan Knorr. Der 1853 in Mewe/Westpreußen geborene Knorr legte seinen Variationen das Klavierstück „Nordisches“ aus dem „Album für die Jugend“ zugrunde. Das Hyperion-Trio gibt hier die erste CD-Einspielung des Werkes, das in diesem Umfeld gut aufgehoben ist.

Knorr entfaltete große Wirksamkeit als Lehrer und später bis zu seinem Tode als Direktor des berühmten Hocschen Konservatoriums in Frankfurt. Brahms brachte ihn 1883 dorthin, indem er dem befreundeten Institutsleiter „auf das Wärmste“ Ivan Knorr als „feinsinnigen und begabten“ Musiker empfahl .

In Charkow war Knorr zuvor ein Jahrzehnt Musiklehrer an einem „kaiserlichen Dameninstitut“, wie sein Protektor Brahms die Russische Kaiserliche Musikgesellschaft abqualifizierte. Jedenfalls wurde er, der selbst seine Ausbildung in Leipzig genoß, in Frankfurt zu einem der bedeutenden Präzeptoren des künftigen deutschen Musiklebens. Das kurze Stück zeigt ihn als jenen beweglichen Traditionalisten, wie sie fest im Fuße einer Pyramide ruhen müssen, deren Spitze die hohen Meister trägt.

Als erstes Stück ist auf der Platte das Brahms-Klaviertrio c-moll op. 101 von 1886 zu hören. Ein Werk der Fülle, Süße und Sicherheit, das die Herzen und Ohren der Liebhaber gewonnen hat seit seinem ersten Erklingen durch Clara Schumann, die damals bekundete, dem Stück „Wonnestunden“ zu verdanken. Die Vitalität wird hier nicht von der Beschaulichkeit aufgezehrt, die nie ganz in finstere Grübelei umkippt. Unter dem krausesten Bart verbirgt noch sich ein glattes Kinn.

Hyperion-Trio, Johannes Brahms / Iwan Knorr Thorofon 2011   www.bella-musica-edition.de

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