© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

Ausgehüpft
Wie exotische Taschenmode das Känguruh-Land Australien von seiner Krötenplage erlösen könnte
Werner Becker

Im Känguruh-Land hat man ein tierisches Problem: Es ist warzig, erreicht eine Rumpflänge von dreißig Zentimetern, kann über zwei Kilo schwer werden und tummelt sich mit Vorliebe in Freßnäpfen australischer Haustiere, in Blumenbeeten und Swimming Pools – die Aga-Kröte. Ursprünglich in Süd­amerika beheimatet, wurde die Riesenkröte auf Empfehlung einer Expertenkonferenz in Puerto Rico 1932 zur Schädlingsbekämpfung importiert und erwies sich als „biologischer Anschlag“ auf das Ökosystem von Down under. Die braune „Bombe“ hat an den Käfern in den Zuckerrohrplantagen wenig Geschmack gefunden, dafür aber manche seltene Tierarten an den Rand des Aussterbens gebracht (siehe Seite 22). Die größte Gefahr geht nicht vom Freßverhalten, sondern von ihrer Giftigkeit aus. Nur ein paar Tiere wie Greifvögel und Warane haben gelernt, sich ihren Krötenhappen geschickt zurechtzulegen, um nicht in Kontakt mit den Giftdrüsen zu geraten.

Neben den wenigen Freßfeinden kam den Importkröten ihre Anpassungsfähigkeit zugute: Eine Austrocknung von 50 Prozent stecken sie locker weg; Aas, Abfälle und Tierfutter verputzen sie wie einen Sonntagsbraten. Seit den 1930er Jahren ist die Krötenlawine mit einer Geschwindigkeit von rund 40 Kilometern und einer Bestandszunahme von 25 Prozent pro Jahr über den australischen Kontinent hingweggerollt. Lediglich einige Schlangenarten trotzen den Bioinvasoren, indem sie sich auf weniger giftige Jungkröten spezialisierten und sich evolutionär anpaßten.

Die Australier versuchen, diesem Zusammenleben positive Seiten abzugewinnen: Die schlechteste Idee ist das „Krötenlecken“, bei dem neben Halluzinogenen auch Giftstoffe aufgenommen werden, deren Schädlichkeit sich nur unwesentlich durch die Methode vermindert, das Drüsensekret zu trocknen und zu rauchen. Klüger verhält sich, wer die Tiere mit gebotener Vorsicht einsammelt und sich dafür ein „Krötenpfand“ abholt – eine lohnende Alternative zum Sammeln von Altglas.

Überraschenderweise läßt sich aus ihrer Haut ein hochwertiges Leder herstellen, das den Vergleich mit Reptilleder nicht scheuen muß. Das völlig ungiftige Krötenleder wird zu Accessoires wie Taschen, Gürteln, Geldbörsen und Mützen verarbeitet. Der warzige Chic fängt allmählich an, auch in Deutschland seine Freunde zu finden: Pionier auf dem Gebiet ist Baal Müller. Der Philosoph, der über die „Kosmiker“ Ludwig Klages und Alfred Schuler promovierte, hat den ersten deutschen Versandhandel ausschließlich für Produkte aus dem Leder der Aga-Kröte eröffnet. „Das Angebot reicht von der Krötentasche für ein paar Kröten bis hin zur originellen, aber nicht ganz preiswerten Damenhandtasche“, erläutert der Treuenbrietzener Unternehmer, der außerdem einen Verlag betreibt und für diverse Zeitungen – auch für die JF – publizistisch aktiv ist. „Die ersten Interessenten kamen aus der Gothic-Szene“, so Müller. Er ist zuversichtlich, neben den Liebhabern des schräg-morbiden Geschmacks weitere Kunden zu gewinnen.

Wie kommt man auf eine solche eher exotische Geschäftsidee? „Vielleicht weil man als Konservativer heute in erster Linie Exzentriker ist“, unkt Müller scherzhaft. „Und als Konservativer ist man ja auch Naturschützer und Kritiker einer ungebremsten Einwanderung.“ In erster Linie sei es jedoch ein spontaner Entschluß gewesen, nachdem er einen Artikel über die australische Krötenplage gelesen hatte. Man muß sich eben seine „ökologische Nische“ suchen, wenn man keine Aga-Kröte ist.

 www.der-kroetenladen.de

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