© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Bernhard Roetzel. Vom Scheitel bis zu den rahmengenähten Schuhen eine Stil-Institution
Der letzte Gentleman
Andreas Ferber

Er könnte – in Trenchcoat, Fedora und elegantem Anzug – im Auftrag ihrer Majestät unterwegs sein, in geheimer Mission. Sein Name: Roetzel, Bernhard Roetzel. Sein geschüttelter Martini: eine große Apfelsaftschorle. Sein Aston Martin: ein gepflegtes Hollandrad – obwohl Freunde gern den Schlüssel zu einem Jaguar in seinen maßgeschneiderten Hosen vermuten. Zu ihm paßt eben der Leitspruch: „Born to perform“, genauso wie zu dem Klassiker mit der Chrom-Katze auf der Motorhaube.

Doch Stil ist nicht nur das Merkmal der englischen Nobelkarosse, sondern auch Thema seines Kultbuchs und Verkaufserfolgs „Der Gentleman“, das – gut möglich – auch in Ihrem Bücherregal steht! Seit über einer Dekade ist das „Handbuch der klassischen Herrenmode“, so der Untertitel, mit 130.000 verkauften Exemplaren allein im ersten Jahr – eins davon im Besitz von Altbundeskanzler Gerhard Schröder –, und inzwischen übersetzt in 18 Sprachen, Stilberater Nummer eins für alle, die sich für das begeistern, was den Mann zum Herrn macht.

Jetzt erscheint Roetzels neues Buch „Mode Guide für Männer“. Aber anders als der zeitgeistige Titel vermuten läßt, geht es darin nicht um das übliche „Trage dies, laß jenes weg“, also Beratung per Dekret, ohne Begründung. Vielmehr um das, was „uns ausdrückt, was uns zum Individuum macht“. Tatsächlich führt Roetzels Beschäftigung mit Mode über das Übliche hinaus und wird mitunter zur Reflexion: „Mode und Stil gelten schnell als oberflächlich – aber nicht wegen mangelnder Bedeutsamkeit, vielmehr aufgrund der trivialen Art der Vermittlung.“ Und auch konservative Fragestellungen wirft er auf: „Viele Leser bitten mich um Rat, den erteile ich gern – aber ich frage mich: Finden sich keine Väter mehr, die ihren Söhnen die Grundlagen beibringen?“

Wenn der Publizist und studierte Grafikdesigner mit seinen knallgelben Hosenträgern, die unter dem Anzug hervorblitzen, durch den Prenzlauer Berg in Berlin radelt, fällt er auf wie ein bunter Hund. Dabei entgeht ihm kein Kleidungsfauxpas – doch missionarisch ist er nicht: Ein Paar unterschiedliche Socken etwa muß nicht Schlamperei sein, gibt er zu bedenken, vielleicht sei das ja auch Ausdruck eigenen Stils. Nur bei der sogenannten Outdoorbekleidung wird Roetzel streng: Der Hauch von Natur und Abenteuer, die sie vermitteln soll, sei aufgesetzt: „Echtes Outdoor? Das war unsere Bundeswehrzeltplane!“

Gerne wird der gebürtige Hannoveraner, Jahrgang 1966, auch in den Medien, von FAZ bis taz, konsultiert. Interessierte besuchen seine Seminare, mit denen er ganz praktisch wieder mehr Stil in die Herrenbekleidung bringen will. Aufgegeben hat Roetzel die Hoffnung noch nicht: „Wenn ich in einer Stadt auch nur einen Mann mit Covert Coat sehe, weiß ich, es ist noch nicht alles verloren.“

www.bernhardroetzel.de

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