© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

„Nur angepaßter linker Mist“
FDP-Bundesparteitag: Der Kurs der angeschlagenen Parteiführung um Philipp Rösler stößt bei der Basis immer stärker auf Kritik
Hinrich Rohbohm

Sie haben sich vorgenommen, ihre Partei wachzurütteln. Sven Tritschler, Vorsitzender des rechtsliberalen Stresemann-Clubs, hat mehrere Flyer in der Hand. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Sebastian Paul (22) steht der 30jährige vor der Karlsruher Messehalle, wartet auf die 600 Delegierten des FDP-Parteitags. „Freiheit ist nichts für Waschlappen – Kante zeigen, FDP“, steht auf den Flugblättern. Kante zeigen sollen die Liberalen bei ihrem neuen Grundsatzprogramm. Vor allem bei den Themen Europa, Steuern, Marktwirtschaft, Energie und Gesundheit.

So fordert die kleine parteiinterne Gruppe der Stresemänner von ihrer Partei die Ablehnung des europäischen Bundesstaates, Volksabstimmungen über die Zukunft der EU sowie klare Bekenntnisse zu Marktwirtschaft, weniger Steuern und weniger Staat. In der Energiepolitik dürfe man nicht einfach den Forderungskatalog der Grünen übernehmen, im Gesundheitswesen keine Planwirtschaft betreiben. Und: „Wir glauben nicht, daß es in unserer schwierigen Lage sinnvoll ist, die programmatische Grundlage der FDP aufzuweichen und wünschen uns eine Partei, die einen klaren und kantigen Liberalismus auch gegen den Zeitgeist vertritt.“

Kantig ist die FDP wenigstens zu Beginn des Parteitags. Als die Delegierten ihre Antragsmappen öffnen, schimmern ihnen „Faule Eier“ entgegen, eines rot, eines grün. Aufgedruckt auf kleine, gelbe Kärtchen. Eine Kampfansage an Rot-Grün. Auch das Spitzenpersonal gibt sich bissig. Einzige bürgerliche Alternative wolle man sein, sagen Parteichef Philipp Rösler, Bundestagsfraktionsvorsitzender Rainer Brüderle und der Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, in ihren Reden unisono. Die Union habe sich längst in eine sozialdemokratische Partei verwandelt. Die Piraten seien eine Linkspartei mit Internetanschluß. Und die Grünen, so Rösler, seien die „Jakobiner von heute. Intolerante Eiferer, die für Schulden, Verbote, Steuern und Abgaben stehen“. Letztere Aussage verärgert einige Journalisten. „Rüde“, „rüpelhaft“ und „eine Flegelei“ sei die Kritik an den laut Umfragen als Lieblingspartei unter Journalisten geltenden Grünen gewesen, werden sich später Kollegen in der Presselounge empören.

Dafür ist der neue Programmentwurf, der in weiten Zügen die Handschrift des mit einer Zeit-Journalistin verheirateten NRW-Spitzenkandidaten Christian Lindner trägt, um so zahmer. „Schon eigenartig“, meint Florian Miethe, Delegierter aus Brüderles Landesverband Rheinland-Pfalz. Den Reden der liberalen Politspitze könne er zwar zustimmen. „Wenn ich mir aber unser neues Grundsatzprogramm ansehe, so finde ich da nun genau den angepaßten linken Mist vor, den alle Parteien vertreten“, sagt der Kreisvorsitzende der Jungliberalen in Worms.

Matthias Hellmann, Delegierter aus Sachsen-Anhalt, sieht das ähnlich. „Linke Parteien haben wir genug. Es muß doch weit mehr als fünf Prozent in Deutschland geben, die etwas anderes wollen“, ist der Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes Harz überzeugt. Das neue Grundsatzprogramm sei für ihn nichts weiter als „Wellness-Liberalismus“. Er sei froh, daß er als Delegierter mit seiner Stimme zumindest dazu beitragen konnte, ein FDP-Bekenntnis zur ökologischen Marktwirtschaft zu verhindern. „Das ist doch vielmehr die ideologische Sprache der Grünen, genauso wie der schwammige Begriff Nachhaltigkeit“, merkt er an. Angesichts des programmatischen Linksschwenks übt der Stresemann-Club scharfe Kritik, bezeichnet den Parteitag als „Totentanz“ für die FDP. Die rechtsliberale Gruppierung, die sich derzeit besonders über wachsenden Zuspruch unter jüngeren Parteimitgliedern freut, hält die in Karlsruhe festgezurrten Thesen für „kaum mehr geeignet, anzuecken“. „Eine Partei, deren Regierungstage höchstwahrscheinlich gezählt sind, beschließt, daß sie nicht mehr will, was sie nicht durchzusetzen vermochte“, kommentiert Tritschler die Annahme der Karlsruher Thesen. Die Aufgabe meßbarer Forderungen wie Steuersenkungen werde nun „durch viel buntes Liberallala“ ersetzt. Sein Fazit: „Jetzt haben wir eben ein Programm und einen Vorsitzenden auf Abruf. Das bleibt von Karlsruhe.“ Doch nicht nur im rechtsliberalen Lager der FDP zeigt man sich unzufrieden über die Programmatik Lindners, dem Hans-Dietrich Genscher bescheinigte, daß er geeignet sei, um in die Fußstapfen des linksliberalen Karl-Hermann Flach zu treten. Auch beim Liberalen Aufbruch um den Eurokritiker Frank Schäffler überwiegt die Skepsis. Mit ihrem Positionspapier „Mehr Mut zu Recht und Freiheit“ präsentiert die Gruppe gleich einen ganzen Gegenentwurf zum neuen Parteiprogramm

Bezeichnend: Dem Baden-Württemberg-Abend der FDP waren zahlreiche Anhänger des Liberalen Aufbruchs ferngeblieben; diese trafen sich stattdessen zu einer eigenen Veranstaltung. Kritik seitens der FDP-Spitze dürfte es dafür kaum geben. Denn auf dem Rostocker Parteitag vorigen Jahres war es der Bundesvorstand selbst gewesen, der sich abends absetzte, um exklusiv in Warnemünde zu feiern. Parteichef Rösler konnte unterdessen selbst mit seiner Rede kaum punkten. „Es war die schlechteste des Parteitags“, lautet die vernichtende Kritik Florian Miethes, den der Auftritt Brüderles hingegen beeindruckte. „Ich würde nur wünschen, daß er auch mal so handelt, wie er redet“, meint er.

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