© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

„Kritisch gegenüber der USA-Politik“
Ein deutscher Gaullist: Der ambivalente außenpolitische Kurs des Nationalisten Axel Springer vor 1970
Martin Zimmermann

Axel Springer, der selbsternannte „große Freund Amerikas“, sprach ein lausiges Englisch und optierte bis 1969 für die „latent antiamerikanische Politik“ des „deutschen Gaullismus“, dem er auch seine Massenblätter zur Verfügung stellte. Axel Springer, der ebenso selbsternannte „große Freund Israels“, war in Fünfzigern mit der Danzigerin Rosemarie Lorenz verheiratet, der schönsten und elegantesten seiner vier Frauen, die ihn aber auch zum Schwiegersohn eines ehemaligen SS-Generals und Himmler-Intimus machte und die mit ihrer Schwester zu den „Lieblingen des Reichskanzlers Adolf Hitler“ zählte.

Und niemand, der die Widersprüchlichkeit dieser Verleger-Vita vertiefen möchte, läßt sich den Hinweis auf Paul Karl Schmidt (1911–1997) alias Paul Carell entgehen, auf den Pressesprecher des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop, dem man gewöhnlich die „propagandistische Rechtfertigung des Holocaust“ anlastet, und der doch bis zum Tod Springers (1985) dessen persönlicher Berater, Sicherheitschef und fleißiger Kolumnist war.

Von dieser festen Verwurzelung im nationalkonservativen Milieu der Bonner Republik will die Legendenpflege, die zum 100. Geburtstag des Konzerngründers derzeit im Hause Springer wieder eifrig betrieben wird, nichts mehr wissen. Stattdessen sähe Vorstandschef Mathias Döpfner es gern, wenn sich das ganze Leben nach 1945, und nicht nur die Altersjahre des Pressezaren, unterm eigenen Mantra „Amerika, Israel, Marktwirtschaft“ verkaufen ließe.

Obwohl die erste wissenschaftliche Biographie, die Hans-Peter Schwarz 2008 vorlegte (JF 12/08), Springer als Mann mit vielen Gesichtern präsentiert, der trotzdem in der Wiedervereinigung Deutschlands seine politisch-publizistische Konstante gefunden habe, so blieb doch der Nationalismus des liberalen Hanseaten eher unterbelichtet. Wie Schwarz gestützt auf Materialien des Verlagsarchivs, versucht Peter Hoeres (Gießen), diese Forschungslücke nun zu schließen (Zeithistorische Forschungen, Heft 4-2011). Hoeres belegt, daß von der heute dogmatisierten „atlantischen Orientierung“ des Hauses bis zum Ende der Kanzlerschaft Kurt Georg Kiesingers (1969) keine Rede sein kann. Bereits 1957 gab Springer sogar die Parole aus: „Kritisch gegenüber der USA-Politik!“ Gleichzeitig brachte er Bild gegen Adenauers Atomwaffenpolitik in Stellung. Nachdem 1958 seine persönliche Mission in Moskau und damit die Hoffnung auf Sowjethilfe in Sachen Wiedervereinigung gescheitert war, legte Springer zwar einen schärferen antikommunistischen Gang ein, blieb aber gegenüber den USA mißtrauisch, da er ein Komplott der Supermächte zum Nachteil Deutschlands befürchtete.

Nach dem Berliner Mauerbau näherte sich Springer Franz Josef Strauß (CSU) an, der seit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister (1962) der Idee eines europäischen Pfeilers der „atlantischen Zivilisation“ anhing und, beraten von Armin Mohler, damit in den Bann geopolitischer Visionen des französischen Präsidenten Charles de Gaulle geriet. Springer wollte den „schönen Traum“ de Gaulles eines gegenüber den USA und der Sowjetunion souveränen Europa gern mitträumen und erwog – „anders als heute im Hause Springer“ – für die wiedervereinigte deutsche Nation sogar eine definitive Abkehr von der atlantischen Bindung. Lediglich aus taktischen Gründen blieb er auf Distanz zum Gaullismus, solange er die USA als Schutzmacht des geteilten Landes zu benötigen glaubte.

Ungeachtet dessen kommentierten Welt und Bild das US-Engagement in Vietnam kritisch, während die SPD-Presse sich das Washingtoner Credo aneignete, Berlin werde am Mekong verteidigt. Radikal brach Springer mit dieser Position erst unter dem Eindruck der „Studentenrevolte“ von 1968, die er als Türöffner für die Moskauer Hegemonie über ein „finnlandisiertes Europa“ einschätzte, vor der allein Bündnistreue mit den USA bewahre. Warum Springer mit diesem Gesinnungswandel, den auch der Gaullist Strauß, nicht aber dessen Berater Mohler mit vollzog, auf breite öffentliche Resonanz stieß, warum der Atlantizismus fortan zum „Signum“ eines nur noch nominellen deutschen Konservatismus wurde, neben dem „klassisch national-konservative Standpunkte“ zu „Außerseiterpositionen“ herabsanken, bleibt eine so spannende wie politisch aktuelle Frage, die Hoeres’ Studie leider offenläßt.

www.zeithistorische-forschungen.de

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