© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

„Uns störte die Hegemonie“
Springer und „1968“: Klärung eines Feindbilds
Matthias Bäkermann

Herr Prof. Rabehl, warum wurde ausgerechnet Axel Cäsar Springer zum Feindbild der Studenten in den Jahren um 1968?

Rabehl: Das hatte anfänglich nicht unbedingt nur politische Gründe. Gerade in Berlin störte viele die absolute Hegemonie der Springer-Medien, die sich sogar merklich auf andere Zeitungen in West-Berlin auswirkte, so daß auch Blätter wie der Tagesspiegel oder das Spandauer Volksblatt ähnlich abfällig über die Studentenproteste publizierten. Spätestens die skandalöse Berichterstattung zum Tod Benno Ohnesorgs 1967 sorgte dann dafür, daß Springer den Haß vieler auf sich zog.

Galt das ausschließlich dem Medienkonzern oder war der Verleger Springer auch persönlich eine Haßfigur?

Rabehl: Die Person Axel Cäsar Springer wurde kaum zur Kenntnis genommen. Ich glaube sogar, daß zum Beispiel dessen pietistische Einstellung Rudi Dutschke – der damals ein überzeugter Christ war – beeindruckt hätte.

Wurde das Engagement Springers zur Deutschen Frage ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen? Immerhin gab es im SDS auch Leute aus Mitteldeutschland – Dutschke und Sie gehörten dazu –, die eine klare Haltung zur Wiedervereinigung hatten?

Rabehl: Sein klares Eintreten für die Wiedervereinigung war uns nicht bewußt. Im Gegenteil: Man war eher der Meinung, daß Springer Neutralität – auch in der DDR – wichtiger war als eine Überwindung der Zweistaatlichkeit. Ähnliches las sich später auch aus Springers Buch „Aus Sorge um Deutschland“ von 1980 heraus.

Wie standen Sie zu der späteren Radikalisierung, die mit dem RAF-Anschlag 1972 auf die Hamburger Springer-Zentrale auch nicht vor terroristischen Mitteln zurückschreckte?

Rabehl: Nachdem auch unter dem Einfluß der DKP und der von Ost-Berlin gelenkten SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlins) die Instrumentalisierung der Apo zunahm, wendete ich mich bereits 1971 ab. Diesen persönlichen Rachefeldzug der RAF beobachtete ich noch nicht einmal mehr mit „klammheimlicher Freude“.

 

Prof. Dr. Bernd Rabehl lehrte Soziologie an der FU Berlin. Er war einer der wichtigsten Theoretiker der Apo und des SDS und engster Vertrauter Rudi Dutschkes. Geboren wurde er 1938 in Rathenow.

 

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