© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Boykott-Aufrufe gegen Ukraine
Einst Partner, jetzt Diktatur?
Curd-Torsten Weick

Seltene Einmütigkeit in der Politik. Einhellig zeigen sich Politiker von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen schockiert von der Mißhandlung Julia Timoschenkos. Das Wort vom politischen Boykott macht die Runde. Umweltminister Röttgen spricht von einer Diktatur. Vergessen sind die staatsmännischen Worte beim Besuch des ukrainischen Staatschefs Viktor Janukowitsch in Berlin im August 2010. Monate zuvor hatte Außenminister Westerwelle Janukowitsch noch zum Wahlsieg gratuliert, Staatsminister Werner Hoyer die Ukraine gar als „verläßlichen“ und „natürlichen“ Partner gepriesen.

Alles Schnee von gestern. Nach ihrer Verurteilung wegen Amtsmißbrauchs im Oktober 2011 ist Ex-Präsidentin Timoschenko nun der verläßliche Partner. Und die ehemalige Hoffnung der Orangenen Revolution zeigt sich standhaft – vor allem gegenüber den „mafiösen“ Strukturen in dem Land, das sie einst regierte. Geschickt lehnt sie es ab, sich von ukrainischen Spezialisten untersuchen zu lassen, verzichtet mediengerecht auf ein extra für sie vorbereitetes „Luxus“-Krankenzimmer. Seitdem geben sich Ärzte der Berliner Charité in Charkow die Klinke in die Hand, und die Bundesregierung plädiert – außenpolitischer Schaden hin oder her – für die Verlegung nach Berlin. „Retten Sie meine Mutter“, hat Tochter Jewgenija nun in Richtung Berlin gerufen. Man darf gespannt sein, welches As Merkel und Co. noch im Ärmel haben.

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