© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Deutsche Debatten
Kenan Kolats Keule
Herbert Ammon

Debatten in diesem Land folgen einem bewährten Muster. Erstens: Sie werden nicht geführt, da die classe politique jede Aufregung im Demos vermeiden möchte, beispielsweise bei jedem Souveränitätsverzicht sowie bei jeder neuen Richtlinie der Brüsseler Autokratie, dazu der letzte, zur Euro-Rettung ersonnene ESM-Vertrag. Herta Däubler-Gmelin (SPD) hat Verfassungsklage angekündigt. Zweitens: Aufkommende Kritik an verfassungsrechtlich bedenklichen Vorhaben wird als „Populismus“ abgetan. Der Umgang mit den Gegnern der immer weiter aufgespannten „Rettungsschirme“ bietet reichlich Anschauung. Drittens: Falls die Populismus-Formel versagt, wird die schärfste Waffe hervorgeholt, die „Nazikeule“.

Die Rede ist nicht vom Piraten-Spektakel, auch nicht von Günter Grass’ Poem, das den Nahost-Konflikt in verbotene Verse faßte, sondern von Sarrazin und der Nicht-Debatte um die Zukunft Deutschlands. Vorab: Ich habe mich seinerzeit mit Sarrazins Interview in Lettre begnügt, habe nicht vor, den Superbestseller zu lesen. Aber schrecklich, schrecklich: Die Zukunft meines Landes, des von europäisch-deutscher Kultur und Geschichte geprägten Landes in Mitteleuropa bereitet mir Sorge.

Selbst Sarrazins verdächtigen Intelligenz-Thesen kann ich mich nicht verschließen, was die genetischen Folgen der unter Migrations- und Heiratswilligen üblichen Verwandtschaftsehen betrifft. Rassismus? Quatsch! Dazu, in der zutiefst verlogenen „Migrationsdebatte“ stets unterschlagen: die permanente Immigration in die Sozialsysteme. Jede/r Politiker/in drückt sich vor den Folgen, jede/r, selbst Cem Özdemir, schickt den Nachwuchs in „migrationsfreie“ Bildungsstätten.

Gegen derlei Fakten, von Sarrazin und seiner Unterstützerin Necla Kelek benannt, sperrt sich SPD-Genosse Kenan Kolat, Sprecher der Türkischen (nicht etwa kurdischen, arabischen, irakisch-christlichen) Gemeinde, indem er alle durch „Migration“ entstandenen Fragen mit dem Nazi-Knüppel erledigt (JF 18/12). Daß er derart, anscheinend ohne Widerspruch, bei der Bundeszentrale für Politische Bildung auftritt, ist ein Skandal.

Daß er den „Biodeutschen“ (taz-Jargon) die alsbaldige Marginalisierung androht, ist nicht nur demagogisch, sondern dumm: Geht die statistische Rechnung auf, wird die „Nazikeule“ unbrauchbar. Sie könnte aber auch nicht aufgehen.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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