© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Dem Großprojekt Nabucco-Pipeline droht das Scheitern
Die Konkurrenz frohlockt
Michael Wiesberg

Pipe dreams“: So nennen die Amerikaner große Pipeline-Projekte, die sich nur zu bald als Luftnummern erweisen. Das Projekt Nabucco, das die Abhängigkeit Europas vom Gaslieferanten Rußland spürbar verringern soll, droht zu einem „Pipe dream“ zu werden. Die Zielvorgabe lautete, neben der „Diversifizierung der Erdgasquellen“ auch für eine „Diversifizierung der Gastransportwege“ sorgen zu wollen – unter Umgehung der Ukraine und Rußlands, das 2010 ein Viertel des europäischen Gasbedarfs lieferte. Und der Erdgasbedarf steigt – bei sinkender Eigenproduktion in Europa.

Vorige Woche gab nun der ungarische Energiekonzern MOL bekannt, dem Nabucco-Budget für 2012 nicht zustimmen zu wollen. Die Finanzierung des Projekts sei nicht mehr vertretbar sei. Die Nabucco-Pipeline werde auch bei einem MOL-Ausstieg gebaut, entgegnete Gerhard Roiss, Vorstandschef des österreichischen Konsortialführers OMV, im Handelsblatt. Andere würden im Bedarfsfall den MOL-Anteil übernehmen. Zum Nabucco-Konsortium gehört auch der deutsche Energieriese RWE.

Ursprünglich wurden die Baukosten auf acht Milliarden Euro veranschlagt, aktuell kursieren Zahlen von bis zu 15 Milliarden Euro. Möglicherweise soll eine kleinere Variante realisiert werden. Diese Westalternative würde die Pipeline nur von der bulgarisch-türkischen Grenze bis nach Österreich führen. Für den Transport durch die Türkei müßte man die als Konkurrenzprojekt geplante Transanatolische Pipeline (Tanap) in Anspruch nehmen.

Diese Entwicklung dürfte von den Initiatoren der „South Stream“-Pipeline, die unter anderem auf dem Grund des Schwarzen Meeres verlaufen soll, mit Genugtuung verfolgt werden. Das Nabucco-Konkurrenzprojekt soll Gas aus Aserbaidschan und Zentralasien nach Europa bringen. Allerdings sucht auch das vom russischen Staatskonzern Gazprom und dem italienischen Eni-Konzern betriebene Gemeinschaftsprojekt noch nach Investoren für die Südtrasse. Sollte „South Stream“ Realität werden, erhöht sich die Abhängigkeit Europas von Rußland weiter. Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Aufsichtsratschef der Ostsee-Pipelinebetreiber gesellschaft Nord Stream, meinte bereits 2009, Nabucco sei nur „mit Gas aus dem Iran machbar“ – sprich rentabel.

Es wäre deshalb angezeigt, daß Ex-Außenminister Joseph Fischer, seit 2009 als Nabucco-Lobbyist unterwegs, in diese Richtung aktiv wird. Daß der zum „Transatlantiker“ mutierte Grüne aber auf Konfrontationskurs zu Washington geht, darf wohl ausgeschlossen werden, womit aber die Aussicht auf einen Nabucco-Erfolg weiter sinkt. Dabei sprächen für die Einbindung des Mullah-Regimes handfeste Gründe: Der Iran würde in der Region zwar weiter an Gewicht gewinnen, Teheran könnten aber auch Zugeständnisse im Atomstreit abverlangt werden.

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