© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Zeitschriftenkritik:
Glücklich im Wert von 21.000 Euro
Christian Vollradt

Noch nie war es so angenehm, ein Mann zu sein“, verkündet Chefredakteur José Redondo-Vega in seinem Editorial zur aktuellen GQ (Gentlemen’s Quarterly). Und wir wollen es ihm glauben, allein mangels Vergleichsmöglichkeiten – wenn man nie etwas anderes war als männlich und sich partout nicht an ein früheres Leben erinnern mag. Doch im Ernst. Wir müssen nicht so hart sein wie unsere noch nicht post-heroischen Großväter, leiden aber auch längst nicht mehr unter dem Konformitätsdruck einer politisch aufgeladenen antimaskulinen Ära wie vielleicht noch unsere Geschlechtsgenossen in den siebziger Jahren. So die These. Handlungsbedarf in der einen oder anderen Richtung sehen die Pragmatiker der GQ nicht; es gibt viele verschiedene Arten, ein Mann zu sein. Akzeptiert das bitte, liebe Frauen, „laßt die Männer von heute einfach machen“. Die Kritik („konfliktscheu“, „keine Stellung beziehen“) wird nicht verschwiegen, aber als irrelevant abgetan. Sie komme von links, wo man selbst für schwachsinnigste Forderungen auf die Straße gegangen sei, oder von rechts („irgendwo aus Richtung ‘Vaterland’“). Neben allerhand O-Tönen mehr oder weniger prominenter, vor allem „cooler“ Männer (Matt Damon, George Clooney, Daniel Craig, Tom Ford und Jan Delay) liefert uns die GQ auch Statistisches. Konservative fühlen sich bestätigt, daß verheiratete Männer glücklicher sind als unverheiratete, und für kühle Rechner wurde das sogar genau erhoben: Eine Hochzeit macht Männer genauso glücklich wie ein Geldgewinn in Höhe von 21.000 Euro.

Ein Interview mit dem Alt-68er und Grünenpolitiker Daniel Cohn-Bendit („Ich bin ein Bastard“) verschweigt den Pädophilie-Vorwurf nicht („Wenn Gerüchte nicht der Wahrheit entsprechen, schaden sie nicht“) und klärt uns darüber auf, daß die Linke in Frankreich gebildeter ist als in Deutschland und daß man als Sohn einer linken Ikone beruflich durchaus ins Bankgewerbe streben kann.

Lesenswert ist vor allem David Baums Reportage über die „zornigen jungen Männer“. Der Autor hat sich unter Rechts- und Linksextreme sowie Islamisten begeben, mit ihnen demonstriert und sie zu ihren Ansichten befragt. Was er darüber berichtet, ist nicht grundstürzend neu, aber unterscheidet sich wohltuend von den üblichen Enthüllungsgeschichten – allein schon wegen des aus der Mode gekommenen antitotalitären Ansatzes. Und daß die jeweilige „Szene“ nicht homogen ist und auch nicht nur aus Monstern besteht, ist kein journalistisches Allgemeingut.

Sympathischer als die lauten Radikalen kommen allerdings die eher schweigsamen Männer daher, die uns in der Reportage über einen Cowboy-Crashkurs in Montana begegnen. Unter all den Kauf-mich-Beiträgen über Accessoires und Mode für den Herren stechen in der GQ also durchaus einige Schnitzelchen hervor. Ausgerechnet in der Küchenkolumne findet sich ein konservativer Leitsatz: „Perfektion ist immer dasselbe. Das Leben wird besser, sobald man gelernt hat, das zu ertragen.“

 

Kontakt: Condé Nast Verlag GmbH, Karlstraße 23, 80333 München. Telefon: 089 / 3 81 04-0. Das Einzelheft kostet 5 Euro. www.gq-magazin.de

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