© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Zum eigenen Nutzen
Einwanderung: Fakten widerlegen Befürworter
Jan von Flocken

Die Behauptung, Deutschland sei mittlerweile ein klassisches Einwanderungsland, wird durch gebetsmühlenartige Wiederholungen nicht wahrer. Gleiches gilt für das dauernde Lamento, unser Volk wäre ohne Massenimmigration binnen weniger Jahrzehnte zum Aussterben verurteilt. Die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Laut jüngsten statistischen Erhebungen verfügt die Bundesrepublik Deutschland über eine Bevölkerung von 81.796 000. Das ergibt 229 Einwohner je Quadratkilometer – für europäische Verhältnisse ein Spitzenwert. Unsere Nachbarn weisen erheblich geringere Bevölkerungsdichten auf: Österreich 99 Einwohner je Quadratkilometer, Frankreich 115, Polen 122, Dänemark 128, Tschechien 132, die Schweiz 185 und Luxemburg 189. Nur Belgien und die Niederlande kommen auf höhere Zahlen als Deutschland.

Ebensowenig Bestand hat offenbar die Klage, es mangele unserem Land an qualifizierten Facharbeitern. Vielmehr gelangt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu dem Resultat: „Bei fast allen Fachkräften ist die Zahl der Arbeitslosen höher als die Zahl der offenen Stellen.“ DIW-Experte Karl Brenke rechnet gar mit einer „Schwemme von Facharbeitern“. Die Studentenzahl im naturwissenschaftlich-technischen Bereich sowie im Ingenieurwesen sei derart hoch, daß es gar nicht genug entsprechende Arbeitsstellen gebe.

Plausibles Beispiel: Jahr für Jahr werden etwa 9.000 Jobs im Maschinenbau frei, weil ältere Arbeitnehmer in Rente gehen. Demgegenüber absolvierten allein im Semester 2009/10 fast 23.000 Studenten des Maschinenbaus erfolgreich ihr Examen. Dennoch beharrt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) darauf, schon in 15 Jahren würden Deutschland fünf Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter fehlen.

Historische Reminiszenzen sind bei der Bewertung solcher Szenarien durchaus hilfreich. Laut letzter Volkszählung vor dem Ersten Weltkrieg (Dezember 1910) wies das Deutsche Reich eine Bevölkerungsdichte von 120 Einwohnern pro Quadratkilometer auf, halb soviel wie heute. Trotzdem war das ausreichend, um zur führenden Wirtschaftsnation Europas zu werden.

Im Bemühen um historische Kontinuität wird häufig die Einwanderungspolitik von Brandenburg-Preußen als Vorbild bemüht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war die Mark Brandenburg dermaßen geschädigt, daß nur noch 14 Menschen auf dem Quadratkilometer lebten. Dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm kam es also höchst gelegen, als 1685 die Hugenotten aus Frankreich vertrieben wurden. Im „Edikt von Potsdam“ gewährte er mehr als 20.000 von ihnen Zuflucht und freie Wohnung in Brandenburg. Der Kurfürst ging damit kein Risiko ein. Aufgrund ihrer calvinistischen Religion waren die Hugenotten nachgerade verpflichtet, ein arbeitsreiches und strebsames Leben zu führen, denn göttliche Gnade manifestierte sich für sie in materiellem Erfolg.

Die Hugenotten des 17./18. Jahrhunderts übten produktive Berufe aus: Handwerker, Landwirte, Unternehmer oder auch Akademiker. Just darum ging es Preußen: Der Staat benötigte nicht Menschen schlechthin, sondern Arbeitskräfte und Produzenten. Demgemäß erließ König Friedrich Wilhelm I. 1732 das „Preußische Einladungspatent“ für vertriebene Salzburger Protestanten. Bei ihnen handelte es sich vorrangig um Bauern, die der König im entvölkerten Ostpreußen ansiedelte.

Wer dem Land Nutzen brachte, es im damaligen Sprachduktus „peuplierte“, war willkommen. Ganz anders hielt man es in Preußen mit unerwünschten gesellschaftlichen Randgruppen. Es gab zahlreiche Verordnungen, wonach Arme, Bettler, Landstreicher „und anderes unnützes Gesinde“ abzuweisen seien. Friedrich Wilhelm I.
befahl 1725, „daß Zigeuner, welche das Land betreten wollen und über 18 Jahre alt sind, ohne Gnade mit dem Galgen bestraft und ihre Kinder in Waisenhäuser gebracht werden sollen“.

Friedrich der Große, bekannt für seine religiöse Toleranz, war indes nicht jener freudige Erbauer von Moscheen, als den ihn manche heutzutage in Anspruch nehmen. Der König erklärte kurz nach dem Regierungsantritt 1740: „Und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land peuplieren, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen.“ Friedrich benutzte hier selbstredend den Konjunktiv, denn eine Masseneinwanderung von Türken stand seinerzeit nicht zu erwarten. Vielmehr wollte er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber jedweder Religion manifestieren, „wenn nur die Leute, welche sie bekennen, ehrliche Leute sind“.

Im Vordergrund stand eindeutig der produktive Nutzen von Einwanderern. Nichts deutet darauf hin, Friedrich der Große hätte einer Invasion potentieller Hartz-IV-Empfänger freudig zugestimmt. „Ich muß wissen, ob er ein guter fleißiger Mensch ist oder eine liederliche Canaille“, schrieb der König auf das Gesuch um Einwanderung eines französischen Webers. Diese Form pflichtbewußter Verantwortung gegenüber dem Wohl des eigenen Landes scheint gänzlich aus der Mode gekommen.

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