© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Lockerungsübungen
Partei der Ängstlichen
Karl Heinzen

Der Abstieg der FDP zu einer Splitterpartei scheint gestoppt, jüngsten Umfragen zufolge könnte sie bei beiden anstehenden Landtagswahlen die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. In Schleswig Holstein liegt sie bei sieben Prozent und hat sich damit bereits ein Sicherheitspolster vor dem Abstieg erarbeitet. In Nordrhein-Westfalen langt es derzeit für knapp fünf Prozent. Da der Trend nach oben weist, könnte aber auch im bevölkerungsreichsten Bundesland noch deutlich mehr herausspringen.

All jene Theorien, die in den vergangenen Monaten behaupteten, die Parteipräferenzen bürgerlicher Wählerschichten hätten eine neue Gestalt angenommen und die FDP wäre in diesem Prozeß nur noch als ein Auslaufmodell anzusehen, bedürfen daher einer Überprüfung. Zu revidieren sind sie jedoch nicht.

Die Grünen bleiben die erste Wahl für Gutsituierte in fortgeschrittenem Alter und mit hohem Bildungsniveau, die es sich leisten können, ihren erlesenen ethischen Maßstäben an die Lebensführung gerecht zu werden und diese in obrigkeitsstaatlicher Manier der gesamten Bevölkerung auferlegen wollen. Solang die Wirtschaftslage es zuläßt, daß eine zahlenmäßig nicht zu kleine Schicht fernab der Alltagssorgen der Bevölkerungsmehrheit ihren Spleen auslebt, werden sie parlamentarisch eine Rolle spielen.

Unter der Piratenfahne versammeln sich bürgerliche Leistungsträger von morgen, die die Parole der Wissensgesellschaft beherzigen, daß die Zukunft Deutschlands in der Produktion von Know-how und nicht von Waren liegt. In der virtuellen Welt sozialisiert, überzeugt sie der Stil der neuen Partei, den Mitbewerber nicht kopieren können, ohne sich selbst untreu zu werden.

Für die FDP bleibt hier nur die Rolle einer Protestpartei übrig, die nicht Unmut oder Veränderungswillen, sondern Angst kanalisiert. Die Schulden- und Bankenkrise läßt enorme transnationale Umverteilungen erwarten. Daraus wird die Frage resultieren, wer in Deutschland welche Last zu tragen hat. Das Image der FDP mag durch ihr aktuelles Führungspersonal noch so sehr beschädigt worden sein. Ihre Tradition überzeugt noch immer. Stets hat sie sich ohne Scheu für jene eingesetzt, die mehr hatten und weniger abgeben wollten. Die Sorge der Wohlhabenden um ihren Besitz könnte ihr nun die Wähler zutreiben, die sie braucht.

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