© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Kerosinpreis treibt Lufthansa in die roten Zahlen
Expansion ohne Augenmaß
Michael Wiesberg

Nicht nur die Autofahrer ächzen unter den Spritpreisen, auch den Fluggesellschaften verhageln sie gehörig die Bilanzen. Delta Air Lines will nun aus der Not eine Tugend machen und gleich eine Ölraffinerie kaufen, um den Kerosindurst zu stillen. 300 Millionen Dollar sollen so eingespart werden, erklärte Konzernchef Richard Anderson, der in der Übernahme „einen neuartigen Ansatz“ sieht, „unseren größten Kostenblock zu bewältigen“.

Worte wie diese dürften bei den Lufthansa-Bossen die Ohren klingeln lassen. Denn das teure Kerosin sorgt auch bei der größten deutschen Fluggesellschaft für lange Gesichter. Da hilft es auch nichts, daß es Konkurrenten wie Air France-KLM nicht besser geht. Das Umsatzplus, das die Lufthansa zu Jahresbeginn erzielen konnte, änderte nichts daran, daß man im ersten Quartal tief in die roten Zahlen rutschte.

Nun soll, da offensichtlich auf strategische Früherkennung verzichtet wurde, ein radikales Sparprogramm den Befreiungsschlag bringen: Geplant ist, um im Wettbewerb mit Billigfliegern wie Ryanair oder staatlichen Rivalen wie Emirates bestehen zu können, Strecken zu streichen, die erste Klasse zu reduzieren und Stellen abzubauen. Bis zu 3.500 sollen gestrichen werden, davon allein 2.500 in Deutschland. Auch Gehälter und Altersversorgung stehen zur Disposition. Ein besonderes Sparpaket wird für die Piloten und Flugbegleiter der nach wie vor defizitären Tochter Austrian Airlines vorbereitet, die künftig nach einem deutlich niedrigeren Tarif bezahlt werden sollen.

Der Luftfahrtexperte Niki Lauda monierte hingegen im Handelsblatt, daß die Lufthansa an der falschen Stelle, nämlich am „Produkt“ spare. Der seit 1997 voll privatisierte Luftfahrtkonzern habe es verabsäumt, rechtzeitig auf sich abzeichnende Veränderungen wie hohe Kerosinpreise, zusätzliche Steuern und neue Wettbewerber zu reagieren. Hart ins Gericht ging Lauda speziell mit der „Strategie der Zukäufe“. Daß der Größenwahn nicht funktioniert, zeigt der Erwerb der österreichischen Ex-Staatslinie. Die Lufthansa schwang sich mit Austrian zwar zu einem der größten Luftfahrtkonzerne auf, das erklärte Ziel aber, Austrian Airlines rasch wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen, konnte nicht annähernd erreicht werden.

Mehr als fraglich ist, ob die anvisierten Sparmaßnahmen zu einer grundsätzlichen Wende führen. Vieles spricht derzeit dafür, daß sich die Lufthansa schon bald gezwungen sehen könnte, den Fehlkauf – wie den Defizitbringer British Midland – wieder abzustoßen. Wie man es auch dreht und wendet: Die fragile Spitzenposition, auf der sich die Lufthansa im weltweiten Luftfahrtgeschäft seit der Übernahmewelle befindet, ist zu teuer erkauft worden. Für seinen fahrlässigen Expansionskurs bekommt der deutsche Luftfahrtkonzern nun unbarmherzig die Rechnung präsentiert.

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