© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Als der Hedonismus lockte
Günter Mayers Jugendroman aus den endsechziger Jahren ist ein lesenswertes Zeitdokument aus dieser Zeit des Aufbruchs
Felizitas Küble

DasTaschenbuch „Steffens letzte Ferien“ von Günter Mayer ist eine packend geschriebene Geschichte: Mag sie formal weitgehend einem Roman ähnlich sein, so ist sie durchaus nicht komplett frei erfunden.

Vielmehr ist es dem Autor eindrucksvoll gelungen, jene Erlebnisse, die ihm viele Jungen seiner Gruppe in den siebziger Jahren schilderten, in eine lebendig wirkende Erzählung zu verweben, die zudem unaufdringlich und scheinbar „nebenbei“ wichtige historische Kenntnisse vermittelt, zumal solche, die in den MSM (Mainstreammedien) vernachlässigt werden. Vor allem aber eignet sich das anschaulich geschriebene Buch als eine Art Zeitdokument über das spezifische Lebensgefühl von Jungen und Mädchen Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre.

Die von der Pubertät geprägten Jugendlichen zwischen 13 und 16 standen in einem zermürbenden Spannungsfeld zwischen bürgerlich-herkömmlicher Sexualmoral und einer neuen Freizügigkeit bis hin zur Hemmungslosigkeit. In dieser unausgegorenen Situation entstand leicht der Wunsch, nunmehr all das auszuprobieren, was zwar durch Kirche und Elternhaus verboten war, aber neuerdings normal und durchaus erlaubt erschien. Zugleich handelt die bewegende, oftmals geradezu mitreißende Erzählung von Kameradschaften zwischen Jungen und von der freundlichen, aber nicht immer ganz harmonischen Beziehung zwischen Steffen und seinem jüngeren Bruder Micha, der ebenfalls von hedonistischen Einflüssen infolge der 68er- Sexwelle nicht ganz frei bleibt.

Die jugendfrische Erzählung endet in einem sachte angedeuteten Happy-End, das einerseits in einer nüchtern-realistischen Sprache geschildert wird, andererseits einen leichten Hauch Romantik enthält; doch dies erscheint wohlverdient, denn obwohl sich Steffen nicht immer glänzend bewährt, sondern auch aus Fehlern lernen mußte und einigen Irrtümern aufsaß, so ist er – eben deswegen – eine positive Identifikationsfigur, dem man gerne ein erfolgreiches Meistergeschäft und vor allem eine glückliche Ehe mit seiner Jugendliebe Franziska samt einer frohen Kinderschar wünschen möchte.

Man spürt bei der Lektüre dieser anschaulich verfaßten Erzählung schnell, daß sich der Verfasser im praktischen Kontakt mit Jugendlichen befand. Bei seinen zahlreichen Wanderungen, Fahrten und Freizeiten wurde er handfest mit Erfahrungen und Problemen vieler Jungen konfrontiert. Auch bei späteren Treffen wurde ihm oft vom damaligen Denken und Erleben berichtet. All dies ist in diese „erfundene“ und doch lebensnah wirkende Geschichte eingeflossen.

Dieses „Buch für die Jugend“ ist ansprechend gestaltet und übersichtlich aufgebaut; zugleich bietet es eine reiche Fundgrube fundierten Wissens, zumal über historische Ereignisse, wozu auch die vielen Erläuterungen, Zitate und Buchhinweise im Anhang beitragen. Das 124 Seiten umfassende Werk eignet sich für ältere Jugendliche ab 16 Jahren – und für alle erwachsenen Leser, die sich für die Welt der Jugendlichen interessieren und die sich ein „Herz für die Jugend“ bewahrt haben.

Günter Mayer: Steffens letzte Ferien. Verlag Books on Demand, Norderstedt 2011, broschiert, 124 Seiten, 12,50 Euro

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