© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

„Expansive Geldpolitik der EZB nötig“
Schuldenkrise: Der US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman plädiert für eine Euro-Rettung durch neue Finanz-Blasen
Philipp Bagus

Im August 2002 empfahl Paul Krugman dem US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan, die Internetblase durch die Schaffung einer Immobilienblase zu ersetzen. Heute macht sich der mittlerweile mit dem Nobelpreis dekorierte Ökonom von der Princeton University in seinem neuen Buch „Der Ausweg aus der Krise“ daran, uns weitere weise Empfehlungen zu geben. Diesmal zur Lösung der Euro-Krise.

Zunächst streitet der Oberkeynesianer Krugman ab, daß verschwenderische Wohlfahrtsstaaten für die Schuldenkrise verantwortlich sind. Krugman hält dagegen, daß während der Boomjahre Irland und Spanien gar keine Defizite hatten, sondern Haushaltsüberschüsse einfuhren. In der Tat erfreuten sich die Peripherieländer dank impliziter deutscher Rettungsgarantie und expansiver Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die sich dem Druck beugte und der US-Fed in ihrer unverantwortlichen Geldpolitik folgte, an historischen Niedrigstzinsen. Ein künstlicher Boom, der Blasenblüten trieb, war die Folge.

Krugman unterschlägt, daß die aus seiner Sicht unschuldig in die Krise geratenen Peripheriestaaten die Boomjahre nutzten und die Staatsausgaben um zehn Prozent pro Jahr und mehr explodieren ließen. Die Haushaltsüberschüsse eines künstlichen Booms müssen jedoch schon enorm sein, um den Abfall der Einnahmen in der Krise kompensieren zu können. Man lebte trotz Überschüssen deutlich über seine Verhältnisse. Nachdem Krugman selbst den Boom durch seine Empfehlungen zu expansiver Geldpolitik angeregt hatte, kommt der Brandstifter heute als Feuerwehrmann für Europa daher und verschreibt einen Drei-Punkte-Plan:

- Erstens soll die EZB verstärkt Geld drucken und Staatsanleihen überschuldeter Regierungen aufkaufen.

- Zweitens sollen die südeuropäischen Länder durch ein staatliches Konjunkturprogramm in Kerneuropa, vor allem Deutschland, neue Absatzmärkte finden.

- Drittens sollten die Staatsschulden durch Inflationsraten von drei bis vier Prozent langfristig abgebaut werden.

Krugmans Vorschlag geht vollkommen am Kern der Probleme vorbei. Er erkennt zwar, daß die Kosten und Löhne in Südeuropa zu hoch sind, sieht aber keine Verbindung zum Euro oder staatlicher Ausgabenpolitik. Die expansive Geldpolitik der EZB und der Euro-Verbund ermöglichen jedoch den (süd-)europäischen Staaten höhere Ausgaben und in der Krise auch höhere Defizite.

Diese Länder erhöhten drastisch die Zahl der Staatsdiener und Rentner sowie deren Bezüge. Die Wettbewerbsfähigkeit ging zurück. Die von der Notenpresse finanzierten Staatsausgaben erlaubten es, die Lohnsätze während des Booms künstlich zu erhöhen und in der Rezession die Arbeitsmärkte rigide zu halten.

Ein echter Ausweg aus der Krise ist hingegen ein Zurückschrumpfen des Staatssektors und eine Flexibilisierung der Faktormärkte, so daß die Wettbewerbsfähigkeit sich wieder erhöht. Eine expansive keynesianische Geld- und Fiskalpolitik wirkt dem notwendigen Fallen der Preise jedoch entgegen und ist damit kontraproduktiv.

Der staatsgläubige Krugman erkennt nicht, daß nachhaltiges Wachstum basierend auf wahren Konsumentenwünschen nur in der Privatwirtschaft möglich ist. Zwar kritisiert Krugman zu Recht die Steuererhöhungen, die in vielen Ländern vorgenommen werden. Denn diese entziehen dem Privatsektor wertvolle Ressourcen; aber dies tut das von Krugman angeregte staatliche Ausgabenprogramm und das Abgehen von Sparmaßnahmen auch. Diese Staatsausgaben sollen nach Ansicht von Krugman nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Geldschöpfung finanziert werden. Das Ausbluten des Privatsektors tritt ebenso ein.

Krugmans „Ausweg“ läuft auf eine Rettung unverantwortlicher Regierungen hinaus. Anstatt die Wohlfahrtsstaaten abzuwracken und Preise anzupassen, sollen Regierungen und Gewerkschaften durch den Kern der Euro-Zone (sprich: allen voran Deutschland) und die Notenpresse von ihrer Verantwortung enthoben werden. In dieser Hinsicht ist es verwegen, daß Krugman das Wort Moral aus seiner Feder fließen läßt. Der Princeton-Ökonom behauptet, es sei unmoralisch, die Südländer für Sünden zu bestrafen, die sie zum Teil gar nicht begangen haben.

Er stellt damit die Realität auf den Kopf. Südeuropa hat dank Euro über seine Verhältnisse gelebt; nicht zuletzt auf Kosten der Deutschen. Fehlende Wettbewerbsfähigkeit und Überschuldung haben dann die Euro-Krise ausgelöst. Es geht nicht darum, Südeuropa zu bestrafen, sondern Gerechtigkeit walten zu lassen und die Umverteilung zwischen den Staaten – vom Kern in die Peripherie – zu beenden.

Was wirklich zutiefst unmoralisch ist, ist das von Krugman vorgeschlagene Retten unverantwortlicher Regierungen mit dem Geld und der Kaufkraft von Kerneuropäern. Letztlich laufen Krugmans unmoralische Vorschläge darauf hinaus, mittels der Notenpresse eine weitere Blase zu speisen: die Staatsschuldenblase. Neue Staatsschuldentürme sollen in den Himmel schießen und von der EZB künstlich stabilisiert werden. Wenn klar wird, daß die Staatsschulden real nie mehr zurückgezahlt werden können, wird auch diese Blase platzen, und der Geldwert bricht zusammen. Dann werden Krugman die Blasen erstmal ausgegangen sein.

 

Prof. Dr. Philipp Bagus lehrt Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid.

Paul Krugman: Der Ausweg aus der Krise. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2012, 28 Seiten, nur als eBook-Ausgabe, 5,99 Euro.

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