© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Grüße aus Bern
Am Führband
Frank Liebermann

Nicht nur in Deutschland neigen Politiker dazu, die Menschen zu gängeln. Auch in der Schweiz ist diese Neigung weit verbreitet, wenn auch aufgrund der direkten Demokratie die Auswüchse nicht ganz so schlimm wie in meinem Heimatland sind. An autofreie Sonntage kann ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern. Während der Ölkrise 1973 durfte ich als Knirps auf der ansonsten stark befahrenen Bundesstraße mit meinem Bonanzarad radeln, was mir wohl riesigen Spaß machte, wenn ich die Fotos von damals betrachte.

Heute sorgen vor allem rot-grüne Politiker dafür, daß auch der Nachwuchs in der Schweiz solche Freuden erleben darf. In der Bundeshauptstadt Bern hat der Stadtrat beschlossen, an zwei Sonntagen in ausgewählten Vierteln den motorisierten Individualverkehr zu verbieten. Jetzt rauchen die Köpfe im Parlament. Während die einen etwas für eine Verbesserung der CO2-Bilanz tun wollen – die Menschheit wird es den Bernern sicher danken –, schimpfen die anderen, alles wäre nur teuer und die Autofahrer würden schon genug schikaniert. Konkrete Verbesserungen beim CO2 erwarten die Grünen zwar nicht, aber die Bevölkerung wird für dieses „immens wichtige“ Thema wieder einmal mehr sensibilisiert. Schließlich sei das auch schon etwas wert, meinen die engagierten Ökologen.

Während die Freisinnigen der Meinung sind, es sei nicht die Aufgabe der Politik, die mündigen Bürger zu erziehen, sieht das der Berner Verkehrsdirektor Reto Nause anders. „Die Automobilisten sollen ihr Verkehrsverhalten überdenken“.

Vorschläge, was die Stadtberner tun sollen, gibt es schon in ausreichender Zahl. Sie sollen einfach grillen oder Liegestühle auf die Straße stellen, meint beispielsweise der Leiter des Umweltamtes Adrian Stiefel. Ob das eine so gute Idee ist, bleibt fraglich, da die öffentlichen Busse ja trotzdem fahren sollen und Radfahrer ja auch nicht immer als die rücksichtsvollsten Verkehrsteilnehmer bekannt sind.

Dummerweise hat die Stadt kein ausreichendes Budget, um ein Rahmenprogramm zu organisieren. Die genehmigten 150.000 Schweizer Franken reichen leider nur für die Aufstellung der Absperrgitter und die Umleitung des Verkehrs. Daher haben die Gemeinderäte die Bürger aufgefordert, kreativ zu sein. So könnten diese einen lustigen Kreidemalwettbewerb auf der Straße durchführen. Tja, da sind wir schon fast wieder in den wilden 1970er Jahren.

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