© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Die Baumarktkette Praktiker vernichtet eine halbe Milliarde Euro
Der Preis spricht nicht mehr
Markus Brandstetter

Zuerst erklärt die sonore Stimme, was alles günstiger sei, dann erscheinen bunte Bilder, dann kommt wieder die Stimme und beteuert, daß alles 20 Prozent billiger sei, außer Tiernahrung. Jahrelang lief diese Werbung und brachte Praktiker Kunden, Resonanz und Wiedererkennung – nur kein Geld. Heute ist die Kette ein Sanierungsfall. Lag die Aktie 2007 noch bei 30 Euro, bekommt der Anleger heute noch 1,78 Euro dafür. Der Umsatz pendelt um die drei Milliarden Euro, die kurzfristige Steigerung 2007 auf knappe vier Milliarden erwies sich als Strohfeuer. Das Vorsteuerergebnis, das 2006 noch bei 112 Millionen Euro gelegen hatte, erreichte 2011 mit einem Verlust von einer halben Milliarde Euro ein negatives Allzeithoch. Zusammen mit der Commerzbank (für die der Steuerzahler geradesteht) gehört Praktiker zu den zehn größten Kapitalvernichtern des vergangenen Jahres.

Ein neues Konzept soll’s richten, aber statt Planung regieren Hektik und Zwist. Der erst vor einem halben Jahr geholte Sanierer Thomas Fox wurde entlassen, die von einem Investor angebotenen 85 Millionen Euro, mit denen der Konzernumbau finanziert werden soll, reichen kaum. Wie konnte es soweit kommen? Die Antwort ist einfach: Die Rabattschlachten haben Praktiker zwar in die Schlagzeilen gebracht, gingen aber an den Kundenbedürfnissen komplett vorbei. Deutschland ist kein Land von Hartz-IV-Empfängern und einkommensschwachen Migranten. Baumarktkunden sind selten Pfennigfuchser, die in fleckiger Monteursmontur aus dem rostigen Kombi steigen, sondern gutverdienende Familien, die Qualität und Beratung wollen und sich das auch etwas kosten lassen. Die Discountschiene funktioniert vor allem im Lebensmittelsektor, wo der Kunde weiß, was er in den Wagen legt und wo er dafür keine Beratung braucht.

Wie wird es nun weitergehen? Während Praktiker „mit einem verdichteten Filialnetz ausschließlich als preisaggressiver Discounter“ positioniert werden soll, werde sich das Tochterunternehmen Max Bahr „um das qualitäts- und serviceorientierte Marktsegment“ kümmern, verkündete die Unternehmensführung.

Unter den zehn großen Baumarktketten in Deutschland ist Praktiker die Nummer drei – nach dem nichtbörsennotierten Bauhaus und dem Marktführer Obi. Der hat viermal so viele Mitarbeiter wie Praktiker, macht mehr als den doppelten Umsatz und gilt branchenintern in puncto Service und Qualität als das Maß aller Dinge. Praktiker will nun wie Obi werden, aber das könnte schiefgehen, denn der ganze Markt ist im Umbruch. Umsätze und Erträge stagnieren seit Jahren, trotzdem werden ständig neue und immer größere Märkte eröffnet. Dazu kommt noch die Bedrohung durch das Internet. Werden aktuell gerade einmal fünf Prozent der Baumarktartikel über das Internet verkauft, kann das in ein paar Jahren schon ein Viertel sein.

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