© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Plan B für die Misere
Guldenmark: Der Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber plädiert für eine Parallelwährung der starken Euro-Länder
Klaus Peter Krause

Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, behauptet Angela Merkel. Deshalb sei die Euro-Rettung „alternativlos“. Doch auch zur Schuldenunion gibt es Alternativen. Eine präsentierte vorige Woche der Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber von der Arbeitsgruppe Europolis zusammen mit dem niederländischen Europaabgeordneten Derk Jan Eppink, Vizepräsident der Fraktion Europäische Konservative und Reformisten (ECR), in Berlin.

Grundgedanke ist eine Parallelwährung für die Euro-Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen. Die sogenannten A-Länder (Deutschland, Finnland, Luxemburg, die Niederlande und Österreich) sollen hierfür zusätzlich eine gemeinsame Zweitwährung einführen, den Euro aber dennoch beibehalten. Diese zusätzliche Währung (Arbeitstitel „Guldenmark“) ist für Kerber ein Plan B um die „die Euro-Zone vor dem Kollaps bewahren“ und die bislang schwerste Krise der EU zu überwinden.

Der Geburtsfehler des Euro liege im Charakter der Einheitswährung, die nur eine einheitliche Geldpolitik zulasse, obwohl alle 17 Euro-Staaten unterschiedlich seien und daher jeweils eine individuell abgestufte Geldpolitik benötigten. Für eine Korrektur müsse man allerdings bereit sein, auch ungewöhnliche Wege zu gehen. Gigantische Rettungsschirme seien keine Lösung, sie täuschten lediglich über die Situation hinweg.

Kerber will aber den Euro nicht abschaffen, sondern ergänzen. „Wenn wegen der aktuellen Euro-Krise der Austritt eines Landes wie Griechenland erwogen worden ist, so liegt es doch nahe, einer Gruppe von Ländern, die nicht länger ihre finanzielle Souveränität aufs Spiel setzen wollen, den Austritt aus dem Währungsgebiet des Euro als Einheitswährung zu gestatten“, folgert Kerber. Die finanzielle Souveränität der A-Länder (und damit ihre Leistungsfähigkeit) dürfe nicht länger aufs Spiel gesetzt werden. Die Guldenmark soll die Bürger der A-Länder vor der schleichenden Ausbeutung als Folge der Unsolidität von B-Ländern (jene mit Leistungsbilanzdefiziten) schützen und sie vor einer Schulden- und Transferunion bewahren.

Die Soliden sollen den Unsoliden nicht mehr wehrlos ausgeliefert sein, und wie es mit den „Euro-Rettungsschirmen“ EFSF und ESM noch schlimmer zu werden droht. Würden die A-Länder die Guldenmark als gleichberechtigtes gesetzliches Zahlungsmittel einführen, hätten die Bürger die Wahl, ob sie mit Euro oder mit Guldenmark bezahlen wollen, und die Zahlungsempfänger ebenso die Wahl, ob sie Euro oder Guldenmark als Zahlung akzeptieren. Beide Währungen stehen dann beim Bürger um die Akzeptanz im Wettbewerb, woraus sich zugleich der Titel von Kerbers neuestem Buch („Mehr Wettbewerb wagen – Ein Konzept zur Reform der europäischen Währungsunion“) erklärt.

Durchsetzen werde sich jene Währung, die die Bürger als sicherste und stabilste erfahren. Da unter den A-Ländern Konsens über die Geldwertstabilität bestehe und das Geld von einer gemeinsamen Guldenmark-Zentralbank komme, müsse diese auf erstklassige Sicherheiten (Pfänder) für dieses Kreditgeld bestehen und den Leitzins so festsetzen, daß die auf diese Weise von ihr verfügbar gemachte Geldmenge nicht stärker wächst als die in der Volkswirtschaft bereitgestellte Menge an Waren und Dienstleistungen. Dabei dürfen die Geschäftsbanken nicht durch einen zu niedrigen Leitzins verführt werden, mehr Geld von der Zentralbank zu holen, als es für die Stabilität der Güterpreise verträglich ist. Sind die Pfänder dagegen Schrottpapiere wie sie Banken und Europäische Zentralbank gegenwärtig in ihren Büchern haben, und pumpt die EZB mit einem künstlichen Niedrigleitzins von einem Prozent eine ungeheure Geldmenge in den Kreislauf, dann droht Inflation. Das Vertrauen sinkt, die Währung wird als schwach wahrgenommen.

Wie bedeutsam die Qualität der Besicherung ist, stellte anschaulich der Sozialwissenschaftler Gunnar Heinsohn in seinem Vortrag heraus. Wenn eine künftige Guldenmark-Zentralbank auf erstklassige Sicherheiten bestünde, würde die Guldenmark mehr akzeptiert als der EZB-Euro. Die B-Länder müßten sich dem anpassen, oder in Kauf nehmen, daß der Euro beim Bezahlen nur noch mit Abschlägen akzeptiert wird.

Die Anstöße zur Zweitwährung müßten von den Zentralbanken der A-Länder kommen – „wenn es politisch gewollt wird“. Später, wenn die B-Länder vorangekommen sind, sollen sie sich bewerben können, um beizutreten: „Die Guldenmark-Zone muß offen bleiben.“ Aber stehen dem nicht die EU-Verträge entgegen? Ja, der Schritt stünde, wie Kerber einräumt, „in diametralem Gegensatz“ zu Artikel 128 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die Ausschließlichkeit des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel innerhalb der Euro-Zone würde „in flagranti verletzt“. Doch die A-Länder könnten förmlich feststellen, daß die gegenwärtigen Maßnahmen zur Banken- und Euro-Rettung rechtswidrig sind. Die Einführung der Parallelwährung sei daher ökonomisch unausweichlich und rechtlich geboten, weil die EU-Verträge ständig verletzt würden und dies samt der Folgen nicht länger zumutbar sei.

„Wer das Konzept einer Parallelwährung von vornherein ablehnt, muß darlegen und beweisen, wie der Weg in die Transferunion angesichts der wachsenden Heterogenität und des wachsenden, unabsehbaren Finanzbedarfs vieler Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsunion aufgehalten werden kann“, argumentierte Kerber. Für ihn ist die neue Parallelwährung kein systemfremdes Element. Sie sei vielmehr eine logische Schlußfolgerung, die aus dem Scheitern des Euro-Experiments gezogen werden müsse. Schließlich gehe es um mehr als um eine Währung. Die Krise bedrohe das gesamte europäische Projekt. „Es wird Zeit, daß Wahrheiten auf den Tisch kommen. Dazu gehört auch, einzugestehen, daß die Politik der unbedingten Euro-Rettung über kurz oder lang zum Kollaps führt.“

Weitere Veröffentlichungen von Prof. Dr. Markus C. Kerber finden sich unter: www.europolis.tu-berlin.de

Markus C. Kerber: Mehr Wettbewerb wagen. Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2012, broschiert, 120 Seiten, 19,50 Euro

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