© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Geschichtswissenschaft und Musik: Erforschung sozialintegrativer Wirkungen
Nationalistische Praktiken entschlüsseln
(ob)

Von der „Entschlüsselung der musikalischen Kommunikation“ erwarten sich Sven Oliver Müller (Berlin) und Jürgen Osterhammel (Konstanz), die Herausgeber des dem Thema „Geschichtswissenschaft und Musik“ gewidmeten Frühlingshefts von Geschichte und Gesellschaft (1-2012), Einblicke in die „Anordnung der Gesellschaft“. Daß nach dem „Iconic Turn“ der modischen „Visual History“ des letzten Jahrzehnts als Folge eines „Acoustic Turn“ eine Inflation von „Klanggeschichten“ droht, ist, ausweislich der dürftigen Resultate des GG-Heftes und eines ernüchternden Forschungsberichts von Daniel Morat (Archiv für Sozialgeschichte, 51-2011) aber eher unwahrscheinlich. Zumal Musikkompetenz bei Historikern die Ausnahme ist, auch aufgrund „technischer Hürden“, die wie Müller und Osterhammel einleitend konstatieren, höher seien als die zur Kunst und Literatur. Der werkanalytische Zugang verlange immerhin ein „Quadrivium des exakten Wissens“, das Kunstfertigkeiten des Tonsetzens, Arithmetik, Geometrie und Astronomie umfasse. Obwohl die sozialintegrative Wirkung der Musik, die stärker ausgeprägt sei als in anderen Künsten, in der Phänomenologie der Vergemeinschaftung, vor allem der „nationalistischen Praktiken“, zur historiographischen Analyse geradezu einlade, halte das wechselseitige Desinteresse von Geschichts- und Musikwissenschaft bis heute an.

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