© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Verwalter der Konkursmasse
Dirk Laabs kritisiert die Politik der Treuhand
Heinz Fröhlich

Selbstbewußt präsentiert Dirk Laabs die „wahre Geschichte“ der Treuhand, obwohl seine Darstellung nur auf veröffentlichten Materialien beruht. Akten, besonders der Treuhand, konnte er nicht einsehen; daher erstaunt es nicht, daß Laabs wenig Neues bietet. Schrille Töne verbergen die Lücken der Quellen. Da ist von „bedingungsloser Kapitulation“ die Rede.

Die Fülle oft nebensächlicher Details, eingebettet in zahlreiche biographische Exkurse, macht es schwer, das Phänomen Treuhand zu verstehen und historisch einzuordnen. Dirk Laabs, der die Henri-Nannen-Schule absolviert hat, schreibt wie ein Illustrierten-Journalist. Der Treuhand wirft er vor, den Ausverkauf der DDR-Wirtschaft betrieben zu haben, die westdeutsche Kapitalisten geplündert hätten. Laabs denunziert die Währungsunion als Angriff der „Invasionsarmee D-Mark“ und stellt sogar die deutsche Einheit in Frage. Diese hätte man hinausschieben sollen, um der DDR die Möglichkeit zu geben, neue wirtschaftliche Strukturen zu entwickeln, auch wenn der DDR nachweislich die finanzielle Kraft fehlte, ihre völlig veraltete Industrie zu modernisieren und die Massenabwanderung in den Westen zu stoppen.

Die Strategie der Treuhand, einen radikalen Schnitt zu wagen, das gescheiterte Wirtschaftsystem der DDR über Bord zu werfen, den Industrieschrott zu beseitigen, entsprang einer Notlage. Man hätte aber die in der Tat teils kritikwürdigen Privatisierungen der Treuhand durch eine massive staatliche Industriepolitik flankieren müssen. Nicht die Treuhand, wie Laabs behauptet, sondern Helmut Kohl verschuldete die Passivität der Regierung.

Der wirtschaftspolitisch kaum brillierende Autor verdammt die Treuhand in Bausch und Bogen; er zieht eine unhistorische Parallele zwischen heutiger Kapitalismuskritik und der Ausnahmesituation von 1990 bis 1994. Er beachtet nicht, daß Bonner Politiker auf die Einheit nicht vorbereitet waren. Sie mußten schnell handeln und begingen zwangsläufig Fehler. Denn die große Mehrheit von ihnen hatte lange vor 1989 die Wiedervereinigung abgeschrieben. Jedoch denkt Laabs nicht im Traum daran, diese skandalöse Pflichtvergessenheit zu analysieren.

Dirk Laabs: Der deutsche Goldrausch. Die wahre Geschichte der Treuhand. Pantheon Verlag, München 2012, gebunden, 384 Seiten, 16, 99 Euro

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