© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Frisch gepresst

Reichstagsbrand. Einst heftig umstritten, gilt heute als historisch gesichert, daß das Reichstagsgebäude am 27. Februar 1933 weder von Kommunisten noch von Nationalsozialisten, sondern von dem Einzeltäter Marinus van der Lubbe angesteckt wurde. Prominente Zeithistoriker, denen diese Lösung des Kriminalfalls nach 1945 „volkspädagogisch unerwünscht“ (Golo Mann) schien, haben bis in die 1990er gebraucht, bevor sie den Widerstand gegen die jeden Zweifel an van der Lubbes Alleintäterschaft beseitigende Studie von Fritz Tobias (1962) aufgaben. Aber noch um 2000 soll der Besucherdienst des Bundestages bei Führungen im restaurierten Wallot-Bau die alte KPD-Mär verbreitet haben, „die Nazis hätten das Gebäude in Brand gesetzt“. Um gegen solche Desinformation gefeit zu sein und sich zugleich über die geschichtspolitische, mancher SED-Fälschungskampagne nicht nachstehenden Legendenbildung der westdeutschen Historikerschaft Klarheit zu verschaffen, greife man zu der von Fred Duswald neu edierten, zugunsten prachtvoller Kabinettstücke aus der „Reichstagsbrand-kontroverse“ gekürzten Arbeit von Fritz Tobias. (ob)

Fred Duswald, Fritz Tobias: Polit-Kriminalfall Reichstagsbrand. Geschichte und Fälschung. Grabert Verlag, Tübingen 2011, 446 Seiten, Abbildungen, 24,80 Euro

 

Hannah Arendt. Ihr erster Ehemann, der Philosoph Günther Stern, der als Günther Anders nach 1945 als Kulturphilosoph bekannt wurde, hat fünfzig Druckseiten Erinnerungen an die nur wenige Jahre dauernde Beziehung zu Hannah Arendt hinterlassen. Der weithin belanglose Text belegt im wesentlichen, wie politisch naiv die am meisten überschätzte Theoretikerin der Politik des 20. Jahrhunderts doch in jungen Jahren war. Da aber die Königsbergerin, die in der „Beziehungsskizze Anders-Arendt“ von Christian Dries zur „Weltbürgerin aus Niedersachsen“ mutiert, im Zentrum einer mit Stachanow-Fleiß betriebenen „publizistischen Arendt-Industrie“ steht, dürften sich demnächst auch noch ihre Arzt- oder Telefonrechnungen hermeneutischer Zuwendung erfreuen. Immerhin entdeckt Dries, was die „Industrie“ bisher ignorierte, die Übereinstimmungen in der Zeitdiagnose der beiden jüdischen Großbürgerkinder. Was nicht verwundert, stammen sie doch beide aus dem Bannkreis Martin Heideggers. (wm)

Günther Anders: Die Kirschenschlacht. Dialoge mit Hannah Arendt und ein akademisches Nachwort. Verlag C. H. Beck, München 2012, broschiert, 140 Seiten, Abbildungen, 16 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen